R&S®ESSENTIALS | Grundlagen von digitalen Oszilloskopen und Tastköpfen

So verwenden Sie Ihren Oszilloskop-Tastkopf: die wichtigsten Tipps

Autor: Paul Denisowski, Product Management Engineer

Arbeiten Sie produktiver mit unserem grundlegenden Leitfaden zum optimalen Umgang mit Oszilloskop-Tastköpfen. Wir haben acht wichtige Tipps zusammengestellt, die für genaue und zuverlässige Messungen sorgen. Von der Kompensation passiver Tastköpfe bis zur Entmagnetisierung von Stromzangen decken wir zentrale Aspekte ab, über die Sie Bescheid wissen sollten.

Typen von Oszilloskop-Tastköpfen

Es gibt zwei Grundtypen von Oszilloskop-Tastköpfen: aktive und passive. Welcher Typ der passende für eine bestimmte Anwendung ist, hängt davon ab, ob Einfachheit oder Funktionalität im Vordergrund stehen.

Passive Tastköpfesind unkomplizierter – sie benötigen keine externe Stromquelleund punkten mit geringeren Kosten. Sie sind außerdem zuverlässig, robust und einfach im Gebrauch: Oszilloskop anschließen, Massekabel einstecken, fertig. Im Lieferumfang von Oszilloskopen ist häufig ein Satz passiver Tastköpfe enthalten, sodass viele grundlegende Messungen ohne weitere Anschaffungen durchgeführt werden können.

Aktive Tastköpfebieten auf der anderen Seite ein höheres Maß an Genauigkeit und Performance. Wie der Name schon sagt, sind diese Tastköpfe mit aktiven Komponenten ausgestattet, die es ihnen ermöglichen, Hochfrequenzsignalezu erfassen. Auch wenn die Kosten höher sind: Die größere Flexibilität und Empfindlichkeit machen diesen Tastkopftyp unverzichtbar für Anwendungen, die besondere Genauigkeit erfordern.

Eine allgemeingültige Antwort gibt es nicht – ob passive oder aktive Tastköpfe besser geeignet sind, hängt letztlich immer von den Erfordernissen der konkreten Aufgabe ab. Die Anforderungen der Messung sind gegen den Preis und das benötigte Leistungsniveau abzuwägen.

Passiver Tastkopf

Aktiver Tastkopf

Kompensation passiver Oszilloskop-Tastköpfe

Die Kompensation passiver Tastköpfespielt eine kritische Rolle für die Genauigkeit und Zuverlässigkeitvon Oszilloskopmessungen. Wenn ein Oszilloskop ohne ordnungsgemäße Kompensation mit einem passiven Tastkopf verbunden wird, können verzerrte und ungenaue Wellenformen erfasst werden. Diese Verzerrung schlägt sich insbesondere bei höheren Frequenzennieder und beeinträchtigt die Wiedergabetreue der gemessenen Signale. Die Feinabstimmung der Kapazität des Tastkopfs mittels Kompensation soll einen flachen und genauen Frequenzgangsicherstellen, insbesondere innerhalb des Bandbreitenbereichs des Oszilloskops.

Für diese Kompensation muss die variable Kapazitätinnerhalb des passiven Tastkopfs angepasst werden, um die inhärente Eingangskapazität des Oszilloskops auszugleichen. Die meisten Oszilloskope verfügen über einen integrierten 1000-Hz-Rechteckwellengenerator für die Tastkopfkompensation.

  • Schritt 1:Verbinden Sie die Prüfspitze mit der Signalquelle.
  • Schritt 2:Verbinden Sie das Massekabel des Tastkopfs mit Masse.
  • Schritt 3:Konfigurieren Sie das Oszilloskop für die Darstellung des Tastkopfkompensationsausgangs.
  • Schritt 4:Führen Sie ein nicht-leitendes Werkzeug in das kleine Loch in der Tastkopfkompensationsbox ein.
  • Schritt 5:Drehen Sie dieses Werkzeug, um die Kapazität des Tastkopfs anzupassen, bis die angezeigte Rechteckwelle eine möglichst ideale Rechteckform erhält.
 So kompensieren Sie einen passiven Tastkopf
So kompensieren Sie einen passiven Tastkopf

Ein Tastkopf ist ordnungsgemäß kompensiert, wenn das Dach des Kompensationssignals im Wesentlichen horizontalverläuft. Überkompensierte Tastköpfe zeigen Überschwinger an der Anstiegsflanke des Signals, unterkompensierte Tastköpfe dagegen Unterschwinger. Um diese zu beseitigen, wird der Kompensationskondensator angepasst, bis die Wellenform ausgeprägte Rechteckflanken aufweist. Für diese Feinabstimmung ist üblicherweise nur ein Bruchteil einer Umdrehung nötig.

Angezeigtes Kompensationssignal
Angezeigtes Kompensationssignal

Massekabel für passive Oszilloskop-Tastköpfe möglichst kurz halten

Ein weiterer wichtiger Tipp für passive Tastköpfe ist die Verwendung eines möglichst kurzen Massekabels. Passive Tastköpfe sind massebezogen – sie messen die Spannung nach Masse und benötigen eine stabile Verbindung zum Bezugspotenzial. Diese Verbindung wird normalerweise über ein Massekabel mit einer Krokodilklemme hergestellt. Es sollte darauf geachtet werden, dieses Kabel so kurz wie möglichzu halten. Lange Massekabel fügen dem gemessenen Signal Induktivitäten hinzu, die sich auf höhere Frequenzanteile auswirken und zu Ringing-Effekten, Überschwingern oder Unterschwingernin Rechteckwellensignalen führen können. Hinweis: Wenn ein Massepunkt in der Nähe des Messpunkts verfügbar ist, kann ein aufsteckbares Federclip-Massekabel eine weitere Verkürzung der Masseverbindung ermöglichen.

Durch ein langes Massekabel verursachte Induktivität
Durch ein langes Massekabel verursachte Induktivität

Auswahl der richtigen Eingangsimpedanz

Sehen wir uns nun an, wie die Kanaleingangsimpedanz zu konfigurieren ist. Bei einigen Oszilloskopen hat der Benutzer die Möglichkeit, zwischen 50 Ohm und 1 MegaohmEingangsimpedanz zu wählen. Die Auswahl der Eingangsimpedanz passend zur Impedanz der Signalquelle oder des Testaufbaus wird als „Terminierung“ oder „Abschluss“ bezeichnet. Dies erfolgt kanalweise über die Benutzerschnittstelle des Oszilloskops. Die „Standardimpedanz“ eines Oszilloskop-Eingangs ist typischerweise auf 1 Megaohm eingestellt, einen Wert, der für passive Tastköpfe geeignet ist.

Wenn jedoch aktive Tastköpfeoder eine direkte Verbindung über ein BNC-Kabelgenutzt werden, kommt der optionale 50-Ohm-Abschluss ins Spiel. Viele Mess- und HF-Geräte verwenden 50 Ohm als Standardabschluss. Die Auswahl der richtigen Eingangsimpedanz ist entscheidend, da sich eine falsche Einstellung auf die gemessene Signalamplitudeauswirken kann. Beispielsweise kann die Einstellung eines 1-Megaohm- statt 50 Ohm-Abschlusses dazu führen, dass die doppelte Spannung gemessen wird.

Abschließend ist zu beachten, dass die maximale sichere Eingangsspannung zwischen den beiden Abschlussmöglichkeiten erhebliche Unterschiede aufweisen kann. Die Einstellung des Abschlusses auf 50 Ohm statt 1 Megaohm bedingt oft eine niedrigere Obergrenze für die sichere Eingangsspannung. Manche Oszilloskope unterstützen zwar an sich keinen 50-Ohm-Abschluss. In solchen Fällen können aber spezielle Durchführungsadaptereingesetzt werden, um bei Bedarf den erforderlichen 50-Ohm-Abschluss herzustellen.

Einige Oszilloskope bieten eine wählbare Kanaleingangsimpedanz
Einige Oszilloskope ermöglichen die Auswahl der Kanaleingangsimpedanz

Entmagnetisieren und Nullabgleich von Stromzangen

Wenden wir uns nun den Stromzangen zu: Es ist wichtig zu wissen, dass die ferromagnetische Spitze einer Stromzange magnetisiert bleiben kann,auch wenn kein Strom mehr fließt. Diese sog. magnetische Remanenz ist ein weit verbreitetes Phänomen und tritt häufig auf, nachdem mit einem Tastkopf ein Strom gemessen wurde, der ein- und ausgeschaltet wurde. Die anhaltende Magnetisierung kann einen Offseteinführen und die Messgenauigkeitbeeinträchtigen. Um diesem Problem zu begegnen, sind die meisten Stromzangen mit einer Entmagnetisierungs- oder englisch „Degauss“-Funktion ausgestattet, die entweder direkt an der Stromzange oder über die Benutzerschnittstelle des Oszilloskops aktiviert werden kann.

Wenn aktiviert, erzeugt diese Entmagnetisierungsfunktion eine spezielle Wellenform, die ein im Wesentlichen zufälliges Magnetfeld entstehen lässt, das jeglichen Restmagnetismus in dem Tastkopf „löscht“. Dies ist meist ein sehr kurzer Vorgangvon nur wenigen Sekunden. Es empfiehlt sich daher, eine Stromzange sowohl vor dem Nullabgleich als auch vor der Durchführung von Messungen zu entmagnetisieren.

Entmagnetisierung per Knopfdruck
Entmagnetisierung per Knopfdruck

Höhere Empfindlichkeit durch mehrfache Wicklung

Hier ist noch ein weiterer Tipp für Stromzangen: Die Messempfindlichkeit lässt sich verbessern, indem der Leiter mehrfach durch die Stromzange geführt oder gewickelt wird. Die Empfindlichkeit der Stromzange nimmt linearmit der Anzahl der Wicklungen zu. Wenn der Leiter beispielsweise vierfach durch die Stromzange gewickelt wird, erhöht sich die Empfindlichkeit um den Faktor vier. Da ein Oszilloskop die Wicklungszahl nicht automatisch bestimmen kann, müssen Sie manuellden entsprechenden Skalierungswert eingeben.

Die Einfügeimpedanz steigt stark an, nämlich quadratisch mit der Anzahl der Wicklungen. Bei Messungen niedriger Strompegel sind die Auswirkungen jedoch vernachlässigbar. Die Einfügeimpedanz bleibt dabei relativ kleinund beeinträchtigt die Messgenauigkeit nur unwesentlich.

Die Empfindlichkeit nimmt zu, wenn der Leiter mehrfach durch die Stromzange geführt wird
Die Empfindlichkeit nimmt zu, wenn der Leiter mehrfach durch die Stromzange geführt wird

Laufzeitkorrektur von Tastköpfen für Leistungsmessungen

Für Leistungsmessungen werden Stromzangen häufig in Verbindung mit Spannungstastköpfen eingesetzt. Dies rührt daher, dass zur genauen Leistungsbestimmung sowohl die Spannung als auch der Strom gemessen werden müssen. Diskrepanzen bei den Kabeldurchlaufzeiten können jedoch einen Zeitversatz oder englisch „Skew“ zwischen den gemessenen Spannungs- und Stromwellenformen bewirken, der zu falschen Leistungsmesswertenführen kann.

Die Lösung bieten spezielle Laufzeitkalibriereinheiten, die die Laufzeitdifferenz ermitteln und durch Erzeugung zeitlich abgestimmter Spannungs- und Stromimpulse ausgleichen. Diese synchronisierten Impulse werden gleichzeitig von den angeschlossenen Strom- und Spannungstastköpfen gemessen. Wenn die Testwellenformen einen Offset zeigen, kann ein geeigneter Korrektur- oder Zeitversatzwert in das Oszilloskop eingegeben werden. Diese Korrektur synchronisiert die Strom- und Spannungswellenformen wieder und verbessert so die Messgenauigkeit.

Vor und nach der Laufzeitkorrektur
Vor und nach der Laufzeitkorrektur

Verwendung von differenziellen Tastköpfen für potenzialfreie Messungen

Oszilloskop-Tastköpfe messen normalerweise die Spannung bezogen auf Masse; im Englischen ist der Begriff „single-ended“ für dieses Messprinzip geläufig. „Differenzmessungen“ werden dagegen erforderlich, wenn die Spannung an Komponenten gemessen werden muss, die nicht mit Masse verbunden sind. Solche Messungen werden als potenzialfreie Messungen bezeichnet.

Eine Möglichkeit zur Durchführung einer differenziellen Messung besteht darin, zwei massebezogene Tastköpfe zu verwenden, an zwei Punkten gegen Masse zu messen und diese Spannungswerte dann im Oszilloskop zu subtrahieren. Dies nennt man eine „quasi-differenzielle“ Messung.

Die anspruchsvollere Lösung ist die Verwendung eines speziellen Differenzialtastkopfs, der mit einem internen Differenzverstärkerausgestattet ist. Dieser Tastkopf produziert eine Spannung entsprechend der Differenz zwischen den Spannungen an den beiden Anschlusspunkten. Differenzialtastköpfe empfehlen sich aus mehreren Gründen für potenzialfreie Messungen:

  • Sie können die Spannung zwischen zwei beliebigen Punkten messen.
  • Sie ermöglichen eine höhere Genauigkeit durch Unterdrückung von Gleichtaktrauschen, also Rauschen, das beiden Spannungen gemeinsam ist.
  • Sie spielen eine entscheidende Rolle beim Schutz von Geräten und Benutzern vor hohen Strömen, die durch unbeabsichtigte oder unvorhergesehene Erdverbindungen entstehen können.
Verwendung eines Differenzialtastkopfs
Verwendung eines Differenzialtastkopfs

Einsatz aktiver Tastköpfe für anspruchsvolle Messungen

Unser letzter Tipp: Verwenden Sie für anspruchsvollere Messungen aktive Tastköpfe. Wie bereits erwähnt, verfügen aktive Tastköpfe über Komponenten, die mit Strom versorgt werden müssen, typischerweise einen Feldeffekttransistor (FET)in der Prüfspitze. Dieser Aufbau aktiver Tastköpfe resultiert in einer wesentlich niedrigeren Eingangskapazitätim Vergleich zu passiven Tastköpfen. Die geringere Kapazität ist mit zwei wichtigen Vorteilen verbunden:

  • Sie minimiert die Schaltungsbelastungund ermöglicht damit eine bessere Wiedergabetreue des gemessenen Signals auf dem Oszilloskop bei geringeren Auswirkungen auf den Schaltungsbetrieb.
  • Sie sorgt für eine höhere Bandbreite, was für die genaue Messung von Hochgeschwindigkeitssignalen von Bedeutung ist, insbesondere solchen mit ausgeprägten Hochfrequenzanteilen wie Rechteck- oder gepulste Wellen.

Darüber hinaus können bestimmte aktive Tastköpfe einen substanziellen Offsetzum Signal hinzufügen. Diese Funktion ist von unschätzbarem Wert, wenn kleine Wechselstromsignale gemessen werden, die größeren Gleichstromsignalen überlagert sind, beispielsweise die Welligkeit eines Netzgeräts.

Fazit

  • Um die Genauigkeit und Zuverlässigkeit von Oszilloskopmessungen sicherzustellen, müssen passive Tastköpfe kompensiert werden
  • Sorgen Sie bei passiven Tastköpfen für möglichst kurze Masseleitungen
  • Achten Sie auf die Auswahl der richtigen Eingangsimpedanz
  • Es ist ratsam, eine Stromzange sowohl vor dem Nullabgleich als auch vor Messungen zu entmagnetisieren
  • Sie können die Messempfindlichkeit verbessern, indem Sie den Leiter mehrfach durch eine Stromzange führen
  • Verwenden Sie Laufzeitkalibriereinheiten, die den Laufzeitunterschied ermitteln und durch Erzeugung zeitlich abgestimmter Spannungs- und Stromimpulse ausgleichen
  • Potenzialfreie Messungen lassen sich mit speziellen Differenzialtastköpfen effektiver durchführen
  • Für anspruchsvollere Anwendungen sollten aktive Tastköpfe eingesetzt werden

Sie möchten Ihr Wissen vertiefen?

Möchten Sie mehr über Messtechnik-Grundlagen erfahren?

Abonnieren Sie unseren Newsletter