Lockruf des Nordens

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Lockruf des Nordens

Wer die Nordwestpassage befahren will, muss über viele hundert Seemeilen Grönlands Westküste folgen. Für sicheren Funkkontakt bis in die hohen Breiten sorgt Kurzwellentechnik von Rohde & Schwarz

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Am 05.10.2023 aktualisiert 🛈
Erstmalig am 03.04.2020 veröffentlicht

Vor ein paar Jahren sorgten zwei Schiffsfunde für Aufsehen, die eine schaurige Episode der Entdeckergeschichte ins öffentliche Bewusstsein zurückriefen. In den arktischen Eisfeldern Kanadas wurden kurz nacheinander die Wracks von HMS Erebus und HMS Terror gesichtet, der Schiffe der berühmt-berüchtigten Franklin-Expedition. Die war Mitte des 19. Jahrhunderts aufgebrochen, um eine Nordwestpassage durchs Polarmeer vom Atlantik zum Pazifik zu erkunden. Eine solche Passage würde Schiffsreisen zwischen Europa und Ostasien um rund 5000 Kilometer verkürzen. Alle über die Jahrhunderte hinweg unternommenen Versuche waren gescheitert, und auch dieser fand ein tragisches Ende. Die Expedition verschwand spurlos und blieb es lange Zeit trotz intensiv betriebener Nachforschungen. Erst die nachhaltigen Bemühungen Kanadas in unseren Tagen führten zur Entdeckung und mutmaßlichen Klärung ihres Schicksals. Die Fundorte und mündlich überlieferte Geschichten der Inuit ließen darauf schließen, dass wenigstens einige der Expeditionsteilnehmer zunächst überlebt hatten, es dann aber nicht schafften, sich zum Festland durchzuschlagen.

Das schwindende Eis belebt die Schifffahrt

Der Traum von einer eisfreien Schiffspassage durch die arktischen Gewässer lebt fort. Und wird vielleicht schon in wenigen Jahrzehnten Realität. Denn die Klimaveränderung wirkt sich durch Hebeleffekte in den hohen Breiten besonders intensiv aus. So war der kanadische Teil der Nordwestpassage 2007 zum ersten Mal seit Beginn der Aufzeichnungen völlig eisfrei. 2016 hat das erste Kreuzfahrschiff die Passage durchfahren.

Bevor jedoch an einen regelmäßigen Transitverkehr durch den arktischen Teil der Route zu denken ist, wird der südlicher gelegene Abschnitt, der mehr als 1200 Seemeilen entlang der grönländischen Westküste verläuft, für die Schifffahrt zunehmend interessant. Die nachlassende Eisdichte lockt mehr und mehr Kreuzfahrer ins Revier, und auch der innerarktische Transport- und Versorgungsverkehr nimmt zu. Ein Problem ist die noch rudimentäre Infrastruktur der Region, insbesondere das Kommunikations- und Rettungswesen. Jederzeitige Erreichbarkeit über Funk ist in der Seefahrt essenziell und seit der Titanic-Katastrophe für die Hochsee-Berufsschifffahrt vorgeschrieben. Sie setzt aber voraus, dass immer auch eine Gegenstelle auf Empfang ist. Satellitenfunk, auf hoher See sonst Standard, ist in den arktischen Gewässern nicht zuverlässig verfügbar. Deshalb ist jenseits des 70sten Breitengrads nur die Kurzwelle für den Seefunkdienst zugelassen, was für die nördliche Hälfte der Grönlandroute zutrifft.

Grönland betreibt eine Kette von Funkstationen entlang seiner Westküste. Elf davon verfügen über Kurzwellenanlagen von Rohde & Schwarz.

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Grönland wappnet sich

Grönland als größtes Anliegerland der Region unterhält seit langem entlang seiner Westküste einen Küstenfunkdienst unter dem Namen Aasiaat – benannt nach der gleichnamigen Stadt, in der sich die Operationszentrale befindet. Betrieben werden die zahlreichen unbemannten Stationen vom staatlichen Unternehmen Tele-Post, das als Telekommunikationszweig von Tele Greenland für das Fernmeldewesen der Insel zuständig ist. Alle Schiffe über 20 Bruttoregistertonnen und die Fischerboote, die zwischen den grönländischen Häfen unterwegs sind, müssen sich über den Dienst anmelden, Start- und Zielhafen sowie die Fahrtroute und den groben Fahrplan angeben. Bei längeren Fahrten ist mindestens einmal täglich die aktuelle Position zu melden. Bleibt eine verabredete Meldung aus, wird der Rettungsdienst informiert.

Der Küstenfunk findet in der Regel auf VHF-Frequenzen statt. Um das Seegebiet aber großflächig bis in den Norden der Insel abzudecken und den seefunkrechtlichen Regularien zu entsprechen, sind elf Stationen zusätzlich mit Kurzwellenfunkanlagen ausgestattet. Die Ausrüstung war aber veraltet und musste ersetzt werden. Rohde & Schwarz erhielt den Zuschlag für die Lieferung der Neugeräte.

Konfektionierung. Vor ihrem Abtransport nach Grönland wurden die Anlagen in der dänischen Rohde & Schwarz-Niederlassung montiert und vorbereitet.

Digitale Frischzellenkur für ein bewährtes Medium

Vor der Einführung des Satellitenfunks war Kurzwellenfunk die einzige Möglichkeit zur drahtlosen Weitverkehrskommunikation. Zwar ist das Spektrum möglicher Datenanwendungen über Kurzwelle begrenzt, da die schmale Nutzbandbreite auf der Funkstrecke nur geringe Übertragungsraten zulässt. Als Sprechfunkplattform für große Entfernungen bleibt das Medium aber weiterhin attraktiv, weil es abgesehen von den Funkgeräten der Kommunikationspartner keine Infrastruktur benötigt.

Moderne Kurzwellenanlagen wie die für Grönland beschafften Systeme der Baureihe R&S®Series4100 nutzen alle nachrichten- und digitaltechnischen Kniffe, um sich in eine moderne Kommunikationslandschaft einzufügen. Allerdings wird für den analogen Seefunkdienst nur ein Bruchteil der Möglichkeiten der Systeme genutzt. Auf Marineschiffen, ihrem hauptsächlichen Einsatzgebiet, sind sie Bestandteil komplexer, volldigitaler und automatisch verwalteter Kommunikationsnetzwerke. Hier arbeiten die Systeme in der Regel auch auf der Funkstrecke digital. Funkprozessoren optimieren dynamisch die Verbindung und entscheiden zum Beispiel, welche Frequenzen für die zu überwindende Strecke und die aktuelle Uhrzeit optimal sind (Kurzwellen werden an der Ionossphäre reflektiert und die Verhältnisse dort sind zeit- und ortsabhängig). Solche Optimierungsmethoden greifen aber nur, wenn Sender und Empfänger über die gleiche aufeinander abgestimmte Ausstattung verfügen. Im Seefunkdienst kommuniziert die Küstenstation dagegen mit einer Vielzahl unterschiedlicher Gegenstationen, sodass nur ein Minimum an technischen Gemeinsamkeiten vorausgesetzt werden kann. Das sind die international festgelegten Seefunkfrequenzen und der klassische analoge Sprechfunk.

Die Funkstationen sind unbemannt, auch wenn die großzügige Fensterfront dieser Station durchaus einladend wirkt.

Die hoch entwickelten Möglichkeiten zur An- und Fernsteuerung der R&S®Series4100-Geräte werden von Tele-Post aber nicht nur gern in Anspruch genommen, sondern waren einer der Gründe für die Beschaffungsentscheidung. Sowohl die Fernsteuerung als auch die Sprachzuführung erfolgen in Zukunft statt über analoge Leitungen über IP- bzw. Voice-over-IP-Verbindungen, sodass Standard-Netzwerktechnik eingesetzt werden kann. Damit die leistungsstarken Sender mit 1 kW Sendeleistung die eigenen Empfänger nicht stören, betreibt Tele-Post die Kurzwellenstationen im sogenannten Split-Site-Modus, bei dem man die Sender und Empfänger 500 bis 1000 Meter voneinander entfernt unterbringt. Die Geräte sind für diese Betriebsweise vorbereitet; aus Sicht des Bedieners bilden sie trotz der räumlichen Trennung eine logische Einheit.

Neu gegen alt: 1 kW Sendeleistung erfordert auch mit moderner Technik (vorne) ein gewisses Volumen, zumal wenn die Komponenten aus Sicherheitsgründen redundant vorhanden sind. Das alte System (hinten) war noch auf zwei Racks verteilt.

Mit seinem neuen Kurzwellenequipment ist Grönland auf Jahrzehnte für alle Eventualitäten gerüstet. Nicht nur sind die nach MIL-Standards geprüften R&S®Series4100-Systeme extrem robust und langlebig, sondern als Software Defined Radios auch langfristig update- und upgradefähig. Sollte in dieser Hinsicht Bedarf entstehen, ist eine neue Konfiguration schnell aufgesetzt.

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