Wie steuert man ein Qubit?

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Wie steuert man ein Qubit?

Ohne hochpräzise HF-Messtechnik wäre die heutige Forschung an Quantencomputern nicht möglich

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Am 26.06.2023 aktualisiert 🛈
Erstmalig am 01.04.2023 veröffentlicht

Max Werninghaus, Walther-Meißner-Institut

Um hochkomplexe Problemstellungen zu lösen, machen sich Quantencomputer die Quanteneigenschaften der Natur zu eigen. Analog zum klassischen Bit werden dabei logische Zustände in Qubits (kurz für Quantenbits) repräsentiert und verarbeitet. Aber während sich ein klassisches Bit gerade durch seine binäre Natur auszeichnet, kann ein Qubit auch simultan in Kombinationen von zwei Zuständen existieren.

Dieses Phänomen ist als Superposition bekannt und kann mit den Gesetzen der klassischen Physik nicht erklärt werden. Superposition ist eine rein quantenmechanische Eigenschaft. Auf ihr fußt das enorme Rechenleistungspotenzial von Quantencomputern.

Supraleitende Qubits

Wie sich Qubits technisch umsetzen lassen, ist Gegenstand aktueller Forschung. Ein vielversprechender Ansatz sind supraleitende Qubits. Sie basieren auf elektrischen Schwingkreisen, die aufgrund der verlustfreien Supraleitung elektromagnetische Felder mit sehr langer Halbwertszeit speichern können. Ein Schwingkreis wird so konstruiert, dass effektiv ein kontrollierbares Zweizustandssystem entsteht. Die Resonanzfrequenz eines solchen Schwingkreises liegt typischerweise im Mikrowellenbereich bei etwa 5 GHz. Der Grundzustand des Schwingkreises wird als Rechenzustand null definiert, der erste angeregte Zustand als Rechenzustand eins.

Ohne weitere konstruktive Maßnahmen lassen sich diese beiden Zustände aber noch nicht gezielt ansteuern. Bei einem harmonischen Oszillator, beispielsweise einem LC-Schwingkreis, ist der Abstand zwischen benachbarten Energiezuständen immer gleich groß (Harmonizität). Eine unerwünschte Folge ist, dass sich nicht kontrollieren lässt, ob ein resonantes Mikrowellensignal den Schaltkreis vom Grundzustand in den ersten angeregten Zustand versetzt oder von einem beliebigen angeregten in den nächsthöheren. Nichtlineare Induktivitäten können die Harmonizität aufheben.

Um zwei bestimmte Energiezustände als kontrollierbares Qubit zu verwenden, arbeitet man in der Praxis mit sogenannten Josephson-Kontakten. Sie verleihen dem Übergang vom Grundzustand in den ersten angeregten Zustand eine charakteristische Frequenz, mit der exklusiv nur dieser Übergang adressiert werden kann. Weil diese Eigenschaft die von energetischen Atomübergängen nachahmt, werden supraleitende Qubits auch künstliche Atome genannt.

Ein Quantenzustand ist extrem fragil. Entsprechend liegt die Betriebstemperatur eines supraleitenden Qubits bei etwa 10 Millikelvin. Das entspricht rund minus 273 Grad Celsius und liegt nahe am absoluten Temperaturnullpunkt. Nur so bleibt das thermische Hintergrundrauschen niedrig genug, um den Quantenzustand nicht unkontrolliert zu stimulieren.

Bit und Qubit im Vergleich

Ein klassisches Bit arbeitet mit einem festen Zustand (A) und führt immer die gleiche Operation aus. Damit gleicht es einem klassischen Schalter. Der Zustand eines Qubits lässt sich über ein Steuersignal (V1) verändern, dargestellt als Rotation auf der Kugeloberfläche. So werden verschiedene Rechenoperationen ausgelöst.

Kontrolle von Quantenzuständen durch Mikrowellensignale

Kontrollieren lässt sich der Energiezustand eines Qubits durch externe Mikrowellensignale. Mit Hilfe der sogenannten Bloch-Kugel wird dieser Prozess dargestellt (Bild, rechts). An Nord- und Südpol der Bloch-Kugel liegen die Rechenzustände eins und null. Jeder andere Punkt auf der Kugeloberfläche entspricht einem Superpositionszustand des Qubits. In welchem es sich aktuell befindet, zeigt der sogenannte Zustandsvektor an. Die Wechselwirkung mit einem resonanten Mikrowellensignal lässt den Zustandsvektor in der Bloch-Kugel rotieren.

Sollen verlässliche Rechenoperationen mit Qubits ausgeführt werden, muss diese Rotation sehr präzise gesteuert werden. Das geschieht über die Pulslänge, die Amplitude des Mikrowellensignals und die Einhüllende des Kontrollpulses. Die sogenannte relative Phase der Kontrollpulse beeinflusst die Rotationsachse des Qubit-Zustands in der Bloch-Kugel. Wird das Qubit mit Pulsen identischer Phase angesprochen, rotiert der Zustand beispielsweise immer um die x-Achse. Ein um 90° phasenverschobener Puls lässt den Zustandsvektor dann um die y-Achse rotieren

Anforderungen an die Signalquellen

Für das Erzeugen von Kontrollsignalen haben sich Arbiträrgeneratoren als flexible Signalquellen bewährt. Zusammen mit Mikrowellenquellen und Mischern lassen sich die erforderlichen Pulse in der richtigen Qubit-Frequenz erzeugen. Durch präzise Phasenregelung des Kontrollpulses in Echtzeit und eine sehr genaue Kontrolle der Einhüllenden, kann von jedem beliebigen Ausgangspunkt jeder beliebige Zielpunkt auf der Bloch-Kugel erreicht werden.

Im Gegensatz zu klassischen Rechenoperationen, bei denen eine hohe Fehlertoleranz gegeben ist, sind Quantencomputer auf eine präzise Kalibrierung der Kontrollpulse angewiesen. Bereits kleine Abweichungen in der bewirken Rotation, beispielsweise eine Überdrehung des Quantenzustandes um 1 %, verändern die erwirkte Quantenoperation. Ähnliche Fehler entstehen bei einer nicht exakten Phasenkontrolle. Kontrollinstrumente für Quantencomputer müssen daher eine hohe Phasen- und Amplitudenstabilität aufweisen. Die Phase der Kontrollpulse ist dabei kontrolliert durch die In-Phase- und Quadraturkomponenten des Pulses, die auf dem Arbiträrgenerator gespeichert werden.

Mikroskopaufnahme eines supraleitenden Qubits

Die beiden hellen Rechtecke (links) aus Niob liefern die passenden Kapazitäten, die über eine nichtlineare Induktivität mittels eines Josephson-Kontakts aus Aluminium gekoppelt sind (rechts). So entsteht ein LC-Schwingkreis, der effektiv ein Zweizustandssystem bildet.

Die ausgeführten Quantenalgorithmen sind komplex, ebenso die Experimente an Quantencomputern. Beides erfordert die phasenstabile und zeitsynchrone Ausgabe einer großen Anzahl von Signalpulsen auf mehreren Kanälen. Dies führt in vielen Fällen zu langen Wartezeiten beim Initialisieren der klassischen Kontrollhardware und kann letztendlich auch die Komplexität geplanter Experimente limitieren.

In den letzten Jahren haben daher unterschiedliche Hersteller von Mikrowellengeneratoren angefangen, spezielle Geräte unter enger Zusammenarbeit mit Quantencomputing-Wissenschaftlern zu entwickeln. Der Funktionsumfang solcher Geräte geht über den von klassischen Arbiträrgeneratoren hinaus und bedient einige spezielle Anforderungen dieses Forschungszweigs. Beispielsweise lässt sich durch Verwendung von FPGAs (Field Programmable Gate Array) die Phase der Pulse direkt auf dem Gerät aufbringen. Das reduziert den benötigten Speicherplatz drastisch.

Weil sich selbst komplexe Quantenalgorithmen, die tausende Operationen umfassen, auf einen überschaubaren Satz von fundamentalen Operationen zurückführen lassen, muss nicht für jeden Quantenalgorithmus das vollständige Signal im Arbiträrgenerator gespeichert werden. Der Satz an Fundamentaloperationen und die Sequenz, in der sie ausgeführt werden müssen, sind völlig ausreichend. Spezialisierte Arbiträrgeneratoren für die Forschung an Quantencomputern unterstützen solche Funktionen bereits.

Quantenbit auslesen

Durch die Interaktion zwischen Qubit und Resonator (links) beeinflussen sich beide Systeme gegenseitig. Je nach Zustand des Qubits (blaue und rote Kurven) verschiebt sich die Resonanzfrequenz ωr eines Resonators um einen bestimmten Betrag χ.

Auslesen von Quantenzuständen

Hat ein Quantencomputer eine Operation ausgeführt, werden die Quantenzustände der Qubits ausgelesen. Dafür koppelt man die Qubits an Ausleseresonatoren. Durch die Interaktion mit dem Qubit verschiebt sich die Resonanzfrequenz des Resonators abhängig vom Energiezustand des Qubits (Bild). Wird er mit einem Auslesesignal nahe der Resonanzfrequenz angesteuert, lässt sich aus der Verschiebung von Amplitude und Phase des Signals in Transmission oder Reflexion auf den Qubit-Zustand schließen.

Aktuelle Entwicklungen von Quantenkontrollhardware ermöglichen einen effektiven Betrieb von Kontrollelektronik und Quantenhardware. Ist die Signalanalyse direkt in den Geräten integriert, können Ergebnisse des Quantenalgorithmus in Echtzeit berücksichtigt werden. Damit erleichtern intelligente Arbiträrgeneratoren den Betrieb von Quantencomputern in einer ähnlichen Weise, wie es die Assembler in der Computer- und Maschinenprogrammierung schon lange tun. Eine der größten Herausforderungen ist dabei die Synchronisation und Koordination von hunderten Signalen, die für die Operation von größeren Quantencomputern nötig sind.

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