Überblick über EMV-Tests

In einer immer stärker vernetzten Welt ist es von entscheidender Bedeutung, dass elektronische Geräte auch in stark ausgelasteter elektromagnetischer Umgebung ordnungsgemäß funktionieren. Tests der elektromagnetischen Verträglichkeit (EMV) stellen sicher, dass Elektronikprodukte im Betrieb keine elektromagnetischen Störungen verursachen oder selbst gestört werden.

Wir erläutern die Feinheiten der EMV-Prüfung und vermitteln essentielles Wissen zu EMV-Normen, Testverfahren, Herausforderungen und Lösungen – auf der Grundlage von über 50 Jahren Erfahrung auf diesem Gebiet. Wir beginnen mit der wichtigsten Frage: Worum geht es bei EMV-Tests überhaupt?

Worum geht es bei EMV-Tests?

Die elektromagnetische Verträglichkeit oder EMV bezeichnet die Fähigkeit eines elektrischen Geräts oder Systems, in einer elektromagnetischen Umgebung zu arbeiten, ohne diese zu stören oder selbst gestört zu werden. EMV-Tests sind ein entscheidender Schritt bei der Entwicklung und Zertifizierung elektronischer Produkte. Sie sind unerlässlich, um zuverlässige, interoperable und gesetzeskonforme Elektronikprodukte zum Endverbraucher bringen zu können. In den meisten Ländern ist eine EMV-Prüfung vorgeschrieben für die Produktzertifizierung und damit die Marktzulassung.

Warum sind EMV-Tests wichtig?

Die Elektronik in modernen Produkten wird immer komplexer. Fast alle Märkte sind betroffen – Unterhaltungselektronik, Medizintechnik, Automotive, Industrie, Aerospace und Militär bilden keine Ausnahme. Eine Folge dieser Entwicklung ist, dass die störungsfreie Koexistenz der diversen elektrischen und drahtlos vernetzten Produkte nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden kann. Nur gezielte Maßnahmen zur EMV-Prüfung und Unterdrückung von Störemissionen können für sichere und zuverlässige Konnektivität sorgen.

EMV-Anomalien in elektrischen oder elektronischen Geräten können auf zahlreiche Phänomene zurückzuführen sein. Gängige Ursachen sind:

  • Externe Faktoren, z. B. Hochfrequenz- (HF) oder elektrische Störungen aus dem Umfeld des Prüflings
  • Interne Faktoren, z. B. Emissionen von internen Komponenten oder Störungen
  • Störungen durch menschliche Interaktion mit dem Gerät, z. B. elektrostatische Entladung (ESD)

Welche Konsequenzen drohen, falls solche Anomalien nicht eliminiert werden, bevor das Produkt den Endverbraucher erreicht?

  • Eine durch EMV bewirkte Anomalie in einem medizinischen Gerät, beispielsweise einem Herzschrittmacher, kann lebensgefährliche Folgen nach sich ziehen.
  • Emissionen von Mobilfunkgeräten können sicherheitskritische Sensorfunktionen in Fahrzeugen oder Satelliten stören.
  • Störungen durch elektronische Geräte im Haushalt können den Betrieb anderer Haushaltstechnik beeinträchtigen.

Durch die Berücksichtigung der elektromagnetischen Verträglichkeit bereits in der Design-Phase sowie gründliche Tests können solche Fehler und Betriebsstörungen weitgehend vermieden werden. Eine weitere wichtige Motivation für EMV-Tests ist die Sicherstellung der Konformität mit verschiedenen Vorgaben, z. B. gesetzlichen Richtlinien, harmonisierten Normen, Herstelleranforderungen und internen Unternehmensvorgaben. Damit werden wir uns im nächsten Kapitel genauer befassen.

EMV-Normen und -Tests in verschiedenen Branchen

Bei EMV-Tests geht es maßgeblich um die Erfüllung von Normen. Alle elektronischen Produkte müssen die Anforderungen erfüllen, die von Normungsorganisationen wie IEC, CISPR, ISO, IEEE, CENELEC, ETSI, FCC, ANSI, RTCA oder dem MIL-STD-Komitee festgelegt werden. Die Vorgaben dieser Organisationen an Emissionen und Störfestigkeit sind häufig gesetzlich verbindlich, um zum Markt zugelassen zu werden. Es gibt Hunderte unterschiedlicher Normen, die sich mit elektromagnetischer Verträglichkeit befassen. Welche für ein Produkt zu beachten sind, hängt in der Regel vom jeweiligen Land und der vorgesehenen Betriebsumgebung ab.

Im Dschungel der EMV-Normen kann man leicht den Überblick verlieren. Ganz allgemein lassen sich EMV-Normen in fünf Kategorien einteilen:

  • Grundnormen definieren Testverfahren, z. B. die Prüfung der Störfestigkeit gegenüber elektromagnetischen Feldern nach EN/IEC 61000-4-3.
  • Fachgrundnormen definieren Testpegel, Grenzwerte, Frequenzbereich, Modulation und allgemeine Testbedingungen.
  • Produktnormen beschreiben Testbedingungen und Kriterien für bestimmte Produkttypen.
  • Herstellernormen enthalten spezielle Prüfniveaus und Prüfbedingungen.
  • Unternehmensinterne Anforderungen definieren spezielle Grenzen und Toleranzen.

Je nach Gerätetyp müssen andere Normen beachtet werden. Beispiel:

  • Normen für kommerzielle Geräte, etwa aus den Bereichen Industrie, Wissenschaft, Medizin (ISM), Unterhaltungselektronik, IT/Multimedia, Haushaltstechnik und Beleuchtung, finden sich beispielsweise in CISPR 11 bis 35, der Serie IEC/EN 61000-X-X und in den jeweiligen produktspezifischen Normen.
  • Für medizinische Anwendungen, wie Hörgeräte, Implantate und Diagnosegeräte, können auch IEC 60601-1-2 und ISO 14708-X einschlägig sein.
  • Zu den relevanten Normen für Automotive-Anwendungen, wie Infotainment- oder Kommunikationsmodule, Komponenten oder das Gesamtfahrzeug, gehören CISPR 12, CISPR 25, ISO 11451, ISO 11452 sowie länder- oder herstellerspezifische Normen.
  • Anwendungen im Bereich Aerospace & Defense erfordern unter anderem die Einhaltung von MIL STD 461, MIL STD 464 oder RTCA DO 160.

Weitere Informationen zu EMV-Normen finden Sie auf unserer Webseite speziell zu EMV-Normen.

Ablauf der EMV-Prüfung

Die Produktvorgaben hinsichtlich Sicherheit, Zuverlässigkeit, Konnektivität und Markteinführungszeiten sind heute anspruchsvoller als je zuvor. Dementsprechend stellen auch die Testszenarien hohe Anforderungen – und es sollte nicht überraschen, dass über 50 % aller Produkte beim ersten Versuch durch die EMV-Prüfung fallen. Rückschläge in dieser Phase können teuer werden und außerdem die Markteinführung verzögern. Glücklicherweise stellen Precompliance-Tests eine Möglichkeit dar, diese Durchfallquote zu reduzieren und die Erfolgsaussichten im ersten Anlauf zu verbessern.

Precompliance-Tests sind ratsam, damit potenzielle Probleme frühzeitig im Entwicklungszyklus erkannt werden können. Die formelle Konformitätsprüfung stellt so eine wesentlich kleinere Hürde dar. Eine Unterbrechung der Precompliance-Tests ist jederzeit möglich, sodass die Gründe für ein Nichtbestehen im Detail analysiert, entsprechende Tests durchgeführt und Korrekturmaßnahmen ergriffen werden können. Weitere Informationen hierzu finden Sie auf unseren Webseiten über einfache EMI-Fehlersucheund Precompliance-Tests im Entwicklungslabor.

Konformitätstests werden meist von zertifizierten unabhängigen Prüflaboren oder Testhäusern durchgeführt. In manchen Fällen übernimmt sie auch der Hersteller selbst. Konformitätstests müssen den strengen und präzisen Verfahren folgen, die in den EMV-Normen definiert sind. Spezielle Ausrüstung, besondere Einrichtungen (z. B. Absorberkammern) und qualifiziertes Personal werden benötigt – und können Konformitätstests zu einer teuren Angelegenheit werden lassen.

Ablauf der EMV-Prüfung

Wie im Bild oben dargestellt, sollten Precompliance-Tests und EMV-Fehlersuche direkt in den Entwicklungsprozess integriert werden. Potenzielle Störungen können auf diese Weise leichter erkannt werden.

EMVU- und Wireless-Koexistenztests

Da eine immer größere Anzahl funkfähiger Produkte mit unterschiedlichsten Technologien in stark ausgelasteten HF-Umgebungen eingesetzt werden, ist es heute nicht mehr ausreichend, Geräte nur auf unerwünschte Emissionen sowie die Störfestigkeit gegenüber Einstrahlungen anderer Geräte zu prüfen.

Koexistenztests von Funksystemen gemäß dem Standard ANSI C63.27-2021 sollen sicherstellen, dass der Prüfling in der elektromagnetischen Umgebung, für die er vorgesehen ist, ordnungsgemäß funktioniert. Die Belastung des Menschen mit hochfrequenten elektromagnetischen Feldern durch LTE- oder 5G-Mobilfunknetze (sowie andere Quellen) wird durch nationale und internationale Normen geregelt. Mit Tests der elektromagnetischen Umweltverträglichkeit (EMVU) wird die Feldstärke dieser Emissionen gemessen und die Signalquelle ermittelt.

EMV-Testverfahren

EMI- oder Störemissionstests stellen sicher, dass elektronische Geräte keine übermäßige elektromagnetische Strahlung aussenden, die andere Geräte oder Systeme beeinträchtigen könnte. EMS- oder Störfestigkeitstests dienen demgegenüber der Bewertung der Widerstandsfähigkeit eines Geräts gegenüber elektromagnetischen Störungen aus externen Quellen.

In diesem Leitfaden konzentrieren wir uns auf vier EMV-Testmethoden:

  • Leitungsgebundene Störaussendungen
  • Leitungsgebundene Störfestigkeit
  • Gestrahlte Störaussendungen
  • Gestrahlte Störfestigkeit

Zusätzliche Testarten wie Flicker, Harmonische, ESD, Spannungsspitzen, Störfestigkeit gegenüber Magnetfeldern und schnellen elektrischen Transienten (EFT)/Bursts werden hierin nicht behandelt.

Wir beginnen mit einigen Grundlagen. Bei leitungsgebundenen Messungen werden diejenigen Signale gemessen, die vom Prüfling in das Wechselstrom- oder Niederspannungsnetz eingeführt werden, meistens über das Netzkabel des Prüflings. Diese Signale liegen üblicherweise im Frequenzbereich von 9 kHz bis 30 MHz. Der Prüfling wird an eine Netznachbildung (LISN) angeschlossen, die dann mit dem Messgerät verbunden wird.

Ein typischer Aufbau zur Messung geleiteter Störungen umfasst:

  • Funkstörmessempfänger
  • Software für die Testautomatisierung
  • Messwandler wie Netznachbildungen (LISN/AMN)

Testsystem für geleitete Störungen

Ein Testaufbau für die leitungsgebundene Störfestigkeit für kommerzielle Tests im Frequenzbereich von 150 kHz bis 80 MHz beinhaltet normalerweise:

  • Geschirmter Raum (empfohlen)
  • Koppel-/Entkoppelnetzwerk (CDN) oder elektromagnetische Koppelzange als Wandler
  • BCI-Sonde (Bulk Current Injection) für Automotive- oder MIL-Tests
  • Signalgenerator
  • HF-Leistungsverstärker
  • Leistungsmessköpfe
  • Messwandler
  • EMV-Testsoftware zum Automatisieren, Steuern und Bereitstellen des richtigen Leistungspegels und der richtigen Modulation für den Prüfling gemäß den relevanten Normen.

Testsystem für die leitungsgebundene Störfestigkeit

Bei gestrahlten Tests werden die vom Prüfling abgestrahlten Signale gemessen. Sie erfolgen üblicherweise im Frequenzbereich von 30 MHz bis 1 GHz, aber manche Normen erfordern Tests bei noch viel höheren Frequenzen. Für diese Tests werden Antennen und oft auch eine geschirmte Absorberkammer oder ein geeignetes Testgelände im Freien benötigt. Viele Branchen wie die Automobilindustrie, die Luftfahrt und Verteidigung nutzen außerdem das Nachhallverfahren (d. h. Prüfung in einer Modenverwirbelungskammer).

Werfen wir einen genaueren Blick auf den Aufbau eines Testsystems für gestrahlte Störaussendungen. Im unten gezeigten Beispiel wird eine Halbabsorberkammer (Semi-Anechoic Chamber, SAC) für einen Prüfling verwendet. Diese ist ausgestattet mit:

  • Drehgestell und Antennenmast mit Höhenscan-Funktion
  • Funkstörmessempfänger, der eine korrekte Frequenzabtastung und Pegelerkennung gemäß den relevanten EMV-Normen sicherstellt
  • EMV-Testsoftware, die in einem automatisierten Aufbau Datenpunkte von verschiedenen Positionen sammelt und die EMI-Strahlung visuell darstellt
  • Auswahl an Antennen mit unterschiedlichen Frequenzbereichsspezifikationen von 30 MHz bis 6 GHz (logarithmisch-periodische Antenne) oder erweiterten Frequenzen (Hornantennen)

Testsystem für gestrahlte Störaussendungen

Das Bild unten zeigt einen Testaufbau für die gestrahlte Störfestigkeit, in welchem der Abstand zwischen der Antennenspitze und dem Prüfling 3 m beträgt. Er umfasst die folgenden Bestandteile:

  • Geschirmte Absorberkammer
  • Vorkalibrierte Feldsonden zur Verifizierung der Feldhomogenität
  • Signalgenerator
  • HF-Leistungsverstärker
  • Leistungsmessköpfe
  • Messwandler
  • EMV-Testsoftware zum Automatisieren, Steuern und Bereitstellen des richtigen Leistungspegels und der richtigen Modulation für den Prüfling gemäß den relevanten Normen

Testsystem für die gestrahlte Störfestigkeit

Herausforderungen bei EMV-Tests und Lösungen

Nach diesem grundlegenden Überblick über den Ablauf einer EMV-Prüfung können wir uns mit einigen Herausforderungen und geeigneten EMV-Testlösungen befassen.

Zu den größten Herausforderungen bei EMV-Tests zählen kürzere Normungszyklen und begrenzte Testressourcen.

Aus diesem Grund gewinnen die Testgeschwindigkeit und Automatisierung an Bedeutung. Schnelle Fourier-Transformation (FFT) und Zeitbereichsscan haben sich als Standardtestmethoden sowohl für Precompliance-Tests von Prototypen als auch die endgültige Konformitätsprüfung etabliert. Messempfänger mit Zeitbereichsfunktionalität wie der R&S®ESW erlauben eine deutlich höhere Testgeschwindigkeit und -zuverlässigkeit.

Eine höherer Automatisierungsgrad lässt sich mit einer Softwarelösung wie R&S®ELEKTRA erreichen, die entscheidende Vorteile bietet für:

  • Testplanung: Aufbau, Vorlagen
  • Testausführung: Gerätesteuerung, Automatisierung
  • Analyse und Reporting: benutzerdefinierte Diagramme, Hinzufügen mehrerer Tests zum Bericht

Wenn Sie planen, eine eigene EMV-Testanlage einzurichten, ist es wichtig, Ihre Ziele mit dem verfügbaren Budget in Einklang zu bringen. Zu berücksichtigen sind:

  • Aktuelle und künftige Testanforderungen
  • Standortanforderungen (wie Netzentstörfilter, Elektrizität, Brandschutz usw.)
  • Gewicht und Größe des Prüflings, wovon die Messkammerabmessungen abhängen
  • Verfügbarkeit von geschultem Personal
  • Kosten für Kalibrierung, Service und Wartung
  • Skalierbarkeit und Möglichkeit zukünftiger Upgrades oder Erweiterungen

Als ein führender Anbieter im EMV-Bereich seit über 50 Jahren ist Rohde & Schwarz bewährter Partner von EMV-Normungsorganisationen, die unsere messtechnische Expertise nachfragen. Wir nutzen unsere Insiderkenntnisse, um für sämtliche Branchen Testgeräte zu entwickeln, die die jeweiligen EMV-Normen unterstützen. Unser Angebot umfasst Testgeräte, Systeme, Software, Upgrades, schlüsselfertige Lösungen (einschließlich Messkammern), Schulungen, Kalibrierung und Service. Wir unterstützen Sie zuverlässig mit EMV-Testlösungen und Serviceleistungen und führen Sie durch den Prozess zur Implementierung von Lösungen, die Ihre Anforderungen heute und in Zukunft erfüllen.

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