Stimulation von GNSS-Empfängern an Prüfständen für fahrerlose Autos

Mit der Integration des R&S®SMBV100B GNSS-Simulators in die AVL DRIVINGCUBE™ Toolchain ergeben sich neue Möglichkeiten für die Validierung auf Fahrzeugebene für fortgeschrittene Fahrerassistenzsysteme und autonomes Fahren. Wird ein komplettes Fahrzeug, das sich auf einem Fahrzeugprüfstand befindet, mit einer Stimulation physischer Sensoren kombiniert, führt dies zu schnellen, reproduzierbaren und kostengünstigen Tests. Es lassen sich alle möglichen Fahrsituationen unter realistischen und sicheren Bedingungen durchführen.

R&S®SMBV100B GNSS-Simulator
R&S®SMBV100B GNSS-Simulator

Ihre Anforderung

Fahrerlose Autos gewinnen in der Automobilindustrie zunehmend an Bedeutung. Angefangen bei fortgeschrittenen Level-2-Fahrerassistenzsystemen (ADAS) über teilautonomes Fahren bis hin zu vollautonomem Fahren in der Zukunft – die Komplexität der Funktionen steigt drastisch an. Die Validierung dieser Funktionen unter allen möglichen Bedingungen und Variationen stellt eine große Herausforderung in der Automobilentwicklung dar.

Beispielsweise erfordern Funktionen wie ein autonomes Notbremssystem (AEB), ein Abstandsregeltempomat (ACC) oder sogar vollautomatisierte Funktionen wie ein Autobahnpilot einen enormen Aufwand an funktionaler und nichtfunktionaler Validierung und Optimierung am integrierten Fahrzeug – bei einer Vielzahl von Umgebungsbedingungen und Fahrzeugkonfigurationen.

Um die funktionale Sicherheit dieser Funktionen sicherzustellen, sind die Komplexität der Testszenarien und die unzählig vielen Testkilometer, die abgespult werden müssen, eine Herausforderung für moderne Validierungsansätze.

Aktuell existieren drei Lösungswege für die Validierung von fortgeschrittenen Fahrerassistenzsystemen und autonomem Fahren. Üblicherweise geschieht dies über die Durchführung von Testfahrten auf öffentlichen Straßen oder Teststrecken, durch Hardware-in-the-Loop-Tests (HiL) oder durch rein virtuelle, softwarebasierte Tests, d. h. ohne jegliche Hardwarekomponenten.

Tests auf Teststrecken oder öffentlichen Straßen ergeben ein realistisches Bild, sind aber nicht vollständig reproduzierbar und können den Testfahrer und andere Testteilnehmer gefährden. Zusätzlich müssen auf der Teststrecke nach jedem Testlauf die gleichen Startbedingungen wiederhergestellt werden, ein Vorgang, der viel Zeit in Anspruch nimmt. HiL-basierte Tests nutzen reale Steuergeräte (ECU) und Funktionen, sind aber schwierig aufzusetzen, da eine komplexe Restbussimulation erforderlich ist. Eine reine Simulation ist sehr produktiv, effizient und flexibel. Da allerdings keine physischen Komponenten zum Einsatz kommen, mangelt es bei virtuellen Tests an der realen Interaktion zwischen den Fahrzeugsystemen, die für die Validierung von großer Bedeutung ist.

Validierungsmethoden für ADAS und autonomes Fahren

Validierungsmethode Vorteile Nachteile
Feld Testfahrten auf Teststrecken oder öffentlichen Straßen Alle Komponenten im realen Umfeld getestet Nicht reproduzierbar, gefährlich und kostspielig
Labor ViL-Tests mit gesamtem Fahrzeug In diesem Dokument beschrieben
Labor HiL-Tests auf Komponentenebene Verwendung echter Hardware, flexibel und reproduzierbar Komplexe Einrichtung
Labor Softwaresimulation ohne jegliche Hardware Flexibel, effizient und kostengünstig Kein Test der realen Interaktion zwischen Systemen

Viele der mit jedem Ansatz verbundenen Nachteile lassen sich mit dem Vehicle-in-the-Loop-Verfahren (ViL) überwinden, das nachfolgend detaillierter beschrieben wird.

Funktionstests für ADAS und autonomes Fahren mit AVL DRIVINGCUBE™
Funktionstests für ADAS und autonomes Fahren mit AVL DRIVINGCUBE™
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Lösung von Rohde & Schwarz und AVL

AVL DRIVINGCUBE™ realisiert einen neuen Validierungsansatz und schließt damit die Lücke zwischen realen Straßentests und der Simulation. Im Gegensatz zu einem reinen HiL-Lösungsweg, der auf einzelnen Komponenten basiert, wird das gesamte, integrierte und fahrbereite Fahrzeug getestet, das in einer virtuellen Umgebung auf einem Prüfstand betrieben wird. Entweder physische bzw. behavioristische Sensormodelle (d. h. Einspeisung von Sensorausgängen einer Softwaresimulation an das elektronische Steuergerät) oder physische Sensorstimulatoren verbinden die zu prüfenden Steuergeräte mit der simulierten Umgebung. Diese Testumgebung wurde für die Evaluierung aller Arten von Funktionen für ADAS und autonomes Fahren entworfen, z. B. das automatische Beschleunigen oder Verzögern des Fahrzeugs im prädiktiven ACC-Modus.

AVL DRIVINGCUBE™ bietet eine gesteigerte Effizienz während der Validierung und Optimierung von Funktionen für ADAS und autonomes Fahren, da sich die Szenarien am Prüfstand deutlich einfacher reproduzieren lassen als im echten Straßenverkehr. Zudem wird der Zugang zum Fahrzeug während des Betriebs vereinfacht. Kritische Situationen können auf sichere Art und Weise validiert werden, während dies auf einer realen Straße nicht möglich ist. Insbesondere die Sensorsimulation und -stimulation spielen beim Ablauf komplexer Szenarien eine wichtige Rolle für zuverlässige Validierungsergebnisse.

Messaufbau für prädiktiven Abstandsregeltempomat (ACC)
Messaufbau für prädiktiven Abstandsregeltempomat (ACC)
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Stimulation von GNSS-Empfängern mit dem R&S®SMBV100B

Mit dem flexiblen R&S®SMBV100B GNSS-Simulator lässt sich die Validierungsumgebung erweitern, sodass man das im Fahrzeug integrierte GNSS-System mit realen GNSS-HF-Signalen stimulieren kann. Somit können navigations- und kartenbasierte Funktionen für ADAS und autonomes Fahren wie der prädiktive Abstandsregeltempomat (ACC) oder der Hub-to-Hub-Betrieb (H2H) getestet werden.

Der R&S®SMBV100B kann Signale für sämtliche globalen Navigationssatellitensysteme wie GPS, Galileo, GLONASS und BeiDou sowie für viele satellitengestützte Ergänzungssysteme (SBAS) erzeugen. Mit seinen 60 verfügbaren Kanälen ist es ganz einfach, realistische Konstellationen zu erzeugen, bei denen Satelliten von mehreren unterschiedlichen GNSS vorhanden sind.

Zusätzlich ist es möglich, Signale gleichzeitig auf allen Frequenzbändern (beispielsweise L1, L2 und L5) zu generieren und so die Integration und Validierung von modernen Mehrfrequenz-GNSS-Empfängern zu ermöglichen.

Die Sichtbarkeit von Satelliten und die Leistungspegel lassen sich spontan ändern. Somit stehen zusätzliche Möglichkeiten zur Verfügung, abgeschattete und blockierte GNSS-Signale zu modellieren. Der R&S®SMBV100B GNSS-Simulator empfängt Fernsteuerbefehle vom Prüfstand über LAN-, USB- oder GPIB-Schnittstellen. Die für die GNSS-Simulation notwendigen Positions- und Lagedaten lassen sich über SCPI- oder UDP-Befehle an den Simulator streamen, sodass sich die Integration in den AVL DRIVINGCUBE™ einfach gestaltet.

Hohe Streaming-Raten mit bis zu 100 Hz stellen in Kombination mit einer geringen Befehlsverarbeitungslatenz bis minimal 20 ms eine hohe Verarbeitungs- und Signalgenauigkeit sicher.

AVL und Rohde & Schwarz sind Technologiepartner im Bereich der Validierung auf Fahrzeugebene für fortgeschrittene Fahrerassistenzsysteme und autonomes Fahren.
AVL und Rohde & Schwarz sind Technologiepartner im Bereich der Validierung auf Fahrzeugebene für fortgeschrittene Fahrerassistenzsysteme und autonomes Fahren.

Testen der prädiktiven ACC-Funktion für Lastwagen in einer ViL-Umgebung

AVL DRIVINGCUBE™ kann die Entwicklung eines ADAS-Systems vereinfachen, zum Beispiel die Validierung einer kraftstoffeffizienten, prädiktiven ACC-Funktion.

Eine prädiktive ACC-Funktion berücksichtigt im Voraus die Straßentopologie auf Basis einer geografischen Höhenkarte und die tatsächliche, durch den GNSS-Empfänger berechnete Position des Lastwagens. Daraufhin passt sie die Fahrzeuggeschwindigkeit und die Motorsteuerung an, um einen optimalen Energieverbrauch für den gesamten Streckenverlauf zu erzielen.

Um die Funktion des prädiktiven ACC zu testen, haben Rohde & Schwarz und AVL die oben erwähnte Toolchain auf einem Rollenprüfstand für Lastwagen in Stockholm aufgesetzt.

In der virtuellen Umgebung von AVL DRIVINGCUBE™ kommt eine geografische Karte zum Einsatz, um eine Fahrspur zu erzeugen, auf der der virtuelle Lastwagen fährt. Die Bewegung des von der ACC-Funktion (4) gelenkten physischen Lastwagens wird vom Rollenprüfstand (5) aufgezeichnet und an die Systemsteuerung (1) übertragen.

Die Systemsteuerung berechnet den erwarteten Fahrwiderstand auf Basis des Lastwagenmodells, das auf der virtuellen Fahrspur fährt. Der Fahrwiderstand wird wieder auf den physischen Lastwagen projiziert, indem der Widerstand vom Rollenprüfstand entsprechend angepasst wird.

Auf Basis der übertragenen Bewegung des physischen Lastwagens wird die Position des virtuellen Lastwagens auf der Straße aktualisiert. Die Positionsdaten werden dann an den R&S®SMBV100B (2) gesendet, der wiederum das entsprechende GNSS-Signal erzeugt. Das GNSS-Signal wird in den GNSS-Empfänger des physischen Lastwagens (3) eingespeist, um einen Standort zu berechnen, sodass die ACC-Funktion die Betriebsstrategie geeignet anpassen kann.

Während diese Toolchain zum Einsatz kam und der physische Lastwagen auf dem Prüfstand in Schweden fuhr, war es möglich, den virtuellen Lastwagen auf einer Straße in Deutschland zu bewegen. Der R&S®SMBV100B GNSS-Simulator wurde für die Generierung der GPS-Funksignale verwendet.

Wesentliche Vorteile

  • Sämtliche Testfahrten können auf Fahrzeugebene unter hochgradig reproduzierbaren Bedingungen in einer Laborumgebung durchgeführt werden
  • Die Betriebsbedingungen, insbesondere bei kritischen Manövern, sind zu 100 % sicher
  • GNSS-Simulation mit hoher Aktualisierungsrate, geringer Latenz und herausragender Signal- und Verarbeitungsgenauigkeit
  • Simulieren Sie jede beliebige Position auf der Erde mit unterschiedlichen Satellitenkonstellationen
  • Unterstützung für GPS, Galileo, GLONASS und BeiDou auf allen GNSS-Frequenzbändern
  • Simulation von Signalabschattung und Mehrwegeausbreitung

Dieser Messaufbau weist im Vergleich zu herkömmlichen Verfahren zur Validierung und für Tests von Funktionen für ADAS/autonomes Fahren zahlreiche Vorteile auf. Sämtliche Komponenten werden wie bei Prüfverfahren auf einem Versuchsgelände auf Fahrzeugebene getestet. Trotz des kostengünstigen Messaufbaus in einer Laborumgebung bietet dieses Verfahren dennoch die Flexibilität und Reproduzierbarkeit von Hardware-in-the-Loop-Tests.

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