Thomas Bögl, Rohde & Schwarz
Technischer Fortschritt bedeutet nicht einfach, analoge Verfahren durch digitale abzulösen. Das zeigt sich kaum besser als in der zivilen Luftfahrt. Hier basiert der Sprechfunk zwischen Pilot und Tower nach wie vor auf der 1948 eingeführten Doppelseitenband-Amplitudenmodulation (DSB-AM). Und es gibt keine Bestrebungen, dieses analoge VHF-Verfahren (Frequenzbereich: 118 MHz bis 137 MHz) durch einen digitalen Sprechfunk zu ersetzen. Schließlich bietet der Analogfunk bis heute einige unverzichtbare Charakteristiken wie kurze Verzögerungszeiten, aktives Mithören durch alle Teilnehmenden und einiges mehr, was bisher kein Digitalfunk leisten kann.
Anders sieht es bei Funkverfahren zur Datenübertragung aus. Seit den 1990er Jahren besteht der Flugfunk nicht allein aus Sprechfunk, sondern er wurde um Verfahren zur Datenübertragung ergänzt – digitale Verfahren. Von ihnen ist VDL Mode 2 am weitesten verbreitet.
Wird heute von der Digitalisierung des Flugfunks gesprochen, dann ist damit gemeint, die älteren digitalen Verfahren zur Datenübertragung durch neue und leistungsstärkere zu ersetzen. Der Sprechfunk selbst soll auch weiterhin analog bleiben. Von der Digitalisierung ist er nur insofern betroffen, als dass sie ihn entlastet. Durch diese Koexistenz von analoger Sprach- und digitaler Datentechnologie zum Zwecke der Flugsicherung, wird wirtschaftlich und zukunftssicher ein Höchstmaß an Effizienz, Zuverlässigkeit und Betriebssicherheit erreicht.
Reger Funkverkehr im engen VHF-Spektrum
Bereitgestellt wird VDL Mode 2 von Air Navigation Service Providern (ANSP). Hinter dem Begriff verbergen sich Kommunikationsdienstleister für den Flugbetrieb, ähnlich zu den Mobilfunkanbietern im privaten Bereich. Weil das Verfahren ebenfalls im VHF-Frequenzband arbeitet, müssen sich Datenübertragung und Sprechfunk das verfügbare Spektrum teilen. Entsprechend klein sind die nutzbaren Bandbreiten, sodass VDL Mode 2 lediglich einige Kilobit pro Sekunde an Daten übertragen kann.
Der Weg ins L-Band: LDACS
Hier kommt nun die neue LDACS-Technologie ins Spiel. Das Akronym steht für L-Band Digital Aeronautical Communication System und bietet einen bis zu circa zweihundertfach höheren Datendurchsatz als VDL Mode 2. Der Name beinhaltet bereits die relevanteste Neuerung: die Datenübertragung findet im L-Band statt. LDACS fügt sich genau in die Teile dieses Frequenzbands ein, die für die Flugkommunikation reserviert sind. Für den störungsfreien Betrieb mit anderer Flugausrüstung, die ebenfalls im L-Band operiert, arbeitet LDACS mit entsprechenden Entstör-Algorithmen und wurde auf minimale Nebenband-Aussendungen optimiert.
Neue, attraktive Dienste für die Luftfahrt
Die moderne Luftfahrt erfordert einen sicheren Datenaustausch. Anders ist die Organisation des Flugverkehrs heute nicht mehr möglich. LDACS kann hohe Datendurchsätze zuverlässig und durch Verschlüsselung abgesichert bereitstellen. Damit unterstützt es eine Vielzahl von neuen Anwendungen. Zur effizienten Einsatzplanung ihrer Flotte benötigen Fluggesellschaften zum Beispiel Datenverbindungen zu ihrem Flugpersonal. Hinzu kommt, dass sich heute deutlich mehr Flugzeuge durch den Luftraum bewegen als früher. Entsprechend muss die Flugsicherung in der Lage sein, schneller neue Navigationsdaten zu verteilen, um Flugbewegungen auch dann noch rechtzeitig anzupassen, wenn sich die Situation im Luftraum kurzfristig ändert.
Als attraktive erste Anwendung mit LDACS ist geplant, dessen Datenlink-Fähigkeit dafür zu nutzen, um die langsame VHF-Funkstrecke in den Bestandssystemen der Flugsicherung durch den schnellen LDACS-Datenlink zu erweitern oder gar zu ersetzen. So lässt sich die Datenübertragung schnell spürbar verbessern, ohne dass neue Systeme angeschafft werden müssen. Hinzu kommt, dass es ein sehr einfacher Weg zur Markteinführung von LDACS ist.
Die zuverlässige und auch sichere Datenübertragung von LDACS wird in Zukunft auch für umweltschonende neue Navigationsmethoden genutzt. Geplant ist hier, Flugzeuge Routen abfliegen zu lassen, die durch präzise Koordinaten im dreidimensionalen Raum festgelegt und innerhalb eng vorgegebener Zeitlimits zu passieren sind. Diese sogenannten 4D-Trajektorien kommen zum Beispiel dann zur Anwendung, wenn Flugzeuge dynamisch an Lärmschutzzonen im Einzugsgebiet von Flughäfen vorbei geleitet werden müssen.
Langfristig will man den kompletten Flugweg vom Startflughafen bis zum Ziel ausschließlich über 4D-Trajektorien abwickeln. Das eröffnet den Weg, um den immer enger werdenden Luftraum deutlich effizienter und umweltschonender zu nutzen.
Standards sind entscheidend für die Luftfahrt
Wie alle Systeme an Bord von Flugzeugen müssen auch die Funkgeräte international standardisiert sein. Auf Basis dieser Standards werden dann später Flugzulassungen durchgeführt, um sicherzustellen, dass die Technik an Bord zuverlässig funktioniert und alle Kriterien der Flugsicherheit erfüllen.
Dafür ist ein sehr langer zeitlicher Vorlauf nötig, der nicht selten zehn oder auch zwanzig Jahre dauern kann. Weil es sich kaum ein Unternehmen leisten kann, so lange auf einen Absatzmarkt zu warten, die Industrie aber möglichst früh in die Standardisierungsprozesse eingebunden werden soll, gibt es staatliche Forschungsinitiativen.
Vier große Forschungsprojekte
Vier aufeinander aufbauende Forschungsprojekte, gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), brachten die Entwicklung des digitalen Datenübertragungsverfahrens LDACS für den zivilen Flugverkehr maßgeblich voran.
Zusammen mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und weiteren Projektpartnern entwickelte Rohde & Schwarz innerhalb eines Konsortiums von 2012 bis 2015 einen funktionsfähigen Demonstrator für Labortests
Die Funktionstüchtigkeit im Flugbetrieb wies das Folgeprojekt MICONAV nach. Hier entstand von 2016 bis 2019 ein flugtauglicher Demonstrator mit zusätzlicher, hochgenauer Navigationsfähigkeit. In den anschließenden Labor- sowie Flugversuchen gelang das erfolgreiche Testen von An- und Abmelden an vier extra für das Projekt eingerichteten LDACS-Basisstationen sowie die Übergabe von einer zur anderen Bodenstation. Ebenso zuverlässig funktionierte die Kommunikation zwischen Flugzeug und Bodenstation in verschiedenen Situationen wie Überflug in größerer Höhe, An- und Abflug oder Rollen am Flughafen.
In diesem Projekt (2019 bis 2022) wurden die Fähigkeiten des Funkverfahrens auf die direkte Vernetzung zwischen Flugzeugen erweitert. Damit ist LDACS nicht mehr zwingend auf eine terrestrische Infrastruktur angewiesen und kann auch für die Wege über die Ozeane genutzt werden.
Das Projekt PaWaDACs läuft seit dem Jahr 2022 und widmet sich der Verkleinerung der Gerätedemonstratoren sowie einer realitätsnahen Testinstallation an zwei Standorten der Deutschen Flugsicherung (DFS). Mit der Vollendung dieser Arbeiten werden auch die entscheidenden Technologieschritte für zukünftige LDACS-Systeme erschlossen sein. Damit wäre eine solide Ausgangsbasis für die Entwicklung neuer Produkte für die zivile Luftfahrt geschaffen, mit denen Rohde & Schwarz nicht allein Bodenstationen ausrüsten, sondern in Zukunft auch an Bord der Flugzeuge Lösungen für seine Kunden anbieten kann.
Für LDACS hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz die Programme zur Luftfahrtforschung (LuFo) ins Leben gerufen, an denen sich auch Rohde & Schwarz beteiligt. Hier wird zusammen mit Projektpartnern wie dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) die LDACS-Technologie entwickelt. Parallel dazu erarbeiten Arbeitsgruppen die für die Flugzulassung benötigten Standards in Kooperation mit der International Civil Aviation Organization (ICAO) und verabschieden diese. Die ICAO mit Sitz in Kanada ist die oberste Standardisierungsbehörde für die zivile Luftfahrt. Sie prüft und verabschiedet die wichtigsten Dokumente für eine Standardisierung.
Im Rahmen des erst vor kurzem gestarteten LuFo-Projekts PaWaDACs (siehe Infobox) wird endgültig der technologische Grundstein gelegt, um anschließend eine Produktentwicklung von LDACS-Boden- und LDACS-Bordgeräten ab ca. 2025 starten zu können. Mit einer Markteinführung ist ab ca. 2028 zu rechnen. Durch die frühe Beteiligung an den LuFo-Projekten besteht eine gute Chance, dass Rohde & Schwarz als Marktführer auf der Bühne der LDACS-Anbieter ins Rennen geht.