KI und ML für 6G-Netze

KI und ML für 6G-Netze

Künstliche Intelligenz in der Funkkommunikation

Wir befinden uns aktuell noch im Zeitalter der „schwachen“ künstlichen Intelligenz, einer Kategorie, die durch fünf Merkmale definiert ist:

1. Fähigkeit zu logischen Schlussfolgerungen, z. B. AlphaGo
2. Wahrnehmungsfähigkeit, z. B. Gesichtserkennung
3. Repräsentation von Wissen, z. B. Watson for Oncology von IBM
4. Sprachverarbeitungsfähigkeit, z. B. Apples Siri, Amazons Alexa
5. Planungs- und Navigationsfähigkeiten, z. B. selbstfahrende Autos

Demgegenüber erlaubt eine „starke“ KI Maschinen die Entwicklung von Fähigkeiten,die menschlicher Intelligenz gleichkommen oder sie sogar übertreffen (z. B. intelligente Roboter). Ein weiterer relevanter Faktor ist das maschinelle Lernen (ML)als eine Unterkategorie der künstlichen Intelligenz. ML kommt beispielsweise in Systemen zum Einsatz, die aus Datensätzen lernen,anstatt lediglich vorprogrammierte Anweisungen auszuführen. Dabei findet ein Lernprozess auf Grundlage mehrschichtiger künstlicher neuronaler Netze statt. Ein zukünftiges Funknetz könnte über eine KI-native Luftschnittstelle verfügen, sodass die angebundenen Funksysteme von der Umgebung und voneinander lernen können, indem sie trainierte neuronale Netzezur Anwendung bringen.

Neuronale Netze sind eine Ausprägung des maschinellen Lernens, die für die drahtlose Kommunikation von Bedeutung ist – wie die folgenden drei Beispiele neuronaler Netze deutlich machen:

1. Recurrent Neural Network (RNN): Bei rekurrenten bzw. rückgekoppelten neuronalen Netzen dient die Ausgabe des vorherigen Schritts als Eingabe für den aktuellen Schritt (z. B. Textverarbeitung). RNNs sind nützlich für die Vorhersage von Zeitreihen („Memory-Effekte“) und die Linearisierung analoger HF-Frontends sowie Antennensubsysteme durch digitale Vor- und Nachverzerrungsalgorithmen auf Basis von ML-Modellen.

2. Convolutional Neural Network (CNN): Vorwärtsgerichtete neuronale Netze mit bis zu 30 Schichten. CNNs verarbeiten strukturierte Datenarrays (ursprünglich z. B. für die Bildverarbeitung konzipiert) und stellen eine der derzeitigen Optionen zur Realisierung eines neuronalen Empfängers dar.

3. Konzept eines Autoencoders: ein spezieller Typ eines künstlichen neuronalen Netzes, das das unbeaufsichtigte Erlernen einer effizienten Datencodierung ermöglicht. Ziel ist es, das Netz darauf zu trainieren, unbedeutende Daten zu ignorieren. Autoencoder, beispielsweise umgesetzt als Transformatoren, werden zur Zeit als Mittel zur Komprimierung von Kanalzustands-Feedback-Informationen untersucht, die durch Messungen im Downlink erfasst und im Uplink zurückgesendet werden.

Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen für 6G

Obwohl künstliche Intelligenz einer der zehn zentralen Forschungsbereiche für 6G ist, kann das Thema nicht losgelöst von anderen Fragen behandelt werden. Es ist auch für alle anderen Bereiche relevant, beispielsweise zellfreies Massive MIMO, Vollduplex-Kommunikationsowie intelligente reflektierende Oberflächen. In 6G-Netzen lässt sich die Performance jeder dieser Technologien durch datengesteuerte, trainierte Systeme steigern, was positive Folgen für die Energieeffizienz und dementsprechend auch die Nachhaltigkeit hat. Der Einsatz trainierter Machine-Learning-Modellefür Signalverarbeitungsaufgaben wie Kanalschätzung, -entzerrungund Demappingermöglicht eine weitere Optimierung der Luftschnittstelle im Vergleich zu den heutigen 4G LTE- und 5G NR-Netzen.

Rohde & Schwarz unterstützt die Forschung in Europa, Asien und den USA und arbeitet als Partner in Projekten wie dem Leuchtturmprojekt 6G-Access, Network of Networks, Automation & Simplification (6G-ANNA). Dieses Projekt hat die Entwicklung eines Designs für 6G zum Ziel, das die Ende-zu-Ende-Architektur einschließt und die Interaktion zwischen Menschen, Technik und Umweltmittels neuer Sensoren und Algorithmen zur Erfassung menschlicher Bewegungen vereinfachen soll.

Ihre KI-Herausforderung bei 6G-Netzen

Zur Realisierung einer KI-nativen Luftschnittstelle für 6G-Netze müssen Blöcke in der Signalverarbeitungskette auf der Bitübertragungsschicht durch trainierte Machine-Learning-Modelle ersetzt werden. Der erste Schritt in diesem Prozess ist die Ersetzung einzelner Verarbeitungsblöcke, aber letztlich müssen logisch zusammenhängende Aufgaben in einem einzigen trainierten Machine-Learning-Modellkombiniert werden. Solche Aufgaben sind etwa Kanalschätzung, Kanalentzerrungund Demapping. Diese Vorgänge werden zusammengeführt und durch nur ein trainiertes ML-Modell ersetzt, das als neuronaler Empfängerbezeichnet wird.

Die Signalverarbeitung für die 6G-Luftschnittstellen ist jedoch lediglich ein Bereich, in dem maschinelles Lernen Vorteile bieten kann. Ein weiteres mögliches Anwendungsfeld stellt die Linearisierung von Leistungsverstärkern oder des gesamten HF-Frontends dar, das in den heutigen Mobilfunkgeräten und Basisstationen zum Einsatz kommt. Künstliche Intelligenz oder maschinelles Lernenkönnen bei 6G für die Luftschnittstellesowie das HF-Frontendin mehreren unterschiedlichen Phasen genutzt werden:

Phase 1: Zunächst können die heutigen deterministischen, algorithmischen Linearisierungsmodelle für Leistungsverstärker durch ML ersetzt werden. Die Forschung in diesem Bereich hat bereits im Jahr 2020 begonnen und wird vor allem von Universitäten vorangetrieben. Maßgebliche Branchenunternehmen haben aber ebenfalls relevante Studien durchgeführt. Dieser Prozess soll auch auf das gesamte HF-Frontend (= Antennensystem und Transceiver) angewendet werden.

Die Datenverfügbarkeit ist im Zusammenhang mit künstlicher Intelligenz und 6G immer ein Thema. Denn zum Trainieren eines neuronalen Netzes wird Zugriff auf entsprechende Datensätze benötigt. Das HF-Frontend wird in der Regel von einem einzigen Hersteller entwickelt. Das bedeutet, dass alle notwendigen Daten zum Trainieren neuronaler Netze in den Händen eines einzigen Herstellers liegen – was die Realisierung dieser Phase erleichtert.

Phase 2: In dieser Phase geht es um Empfängeraspekte, wobei das Konzept eines neuronalen Empfängers umgesetzt wird, indem Signalverarbeitungsblöcke wie Kanalschätzung, Kanalentzerrung und Demapping durch ein trainiertes ML-Modell ersetzt werden.

Phase 3: In dieser Phase beginnt die Ende-zu-Ende- oder E2E-Optimierung. ML soll eine gemeinsame Optimierung von Sende-, Empfangs- und Basisbandverarbeitung leisten. Das Endziel während dieser Phase ist die Anpassung der Übertragung an die zugrundeliegende Anwendung (Sprachanruf, Webbrowsen, XR usw.), das Bereitstellungsszenario und den Einfluss des Übertragungskanals, wobei die ML-Designs Teil der Bitübertragungs/MAC-Schicht sind (6G PHY/MAC). Ein erster Schritt in Richtung E2E-Lernen ist die Ersetzung des Modulationsmappers mit einer maßgeschneiderten, erlernten Konstellation, die perfekt an die Unvollkommenheiten des Senders und Empfängers sowie die Bedingungen des Funkkanals angepasst ist. Maßgeschneiderte Modulationen ermöglichen eine pilotlose Übertragung und verbessern so die Performance des Gesamtsystems weiter.

Auf dem Weg zu einer KI-nativen Luftschnittstelle für 6G

Solche hochadaptiven Implementierungen der Bitübertragungsschicht erfordern eine umfassende Verifizierungvor dem Einsatz im Feld. Für diese Verifizierung werden Modelle benötigt, die zuverlässig arbeiten – auch unter seltenen Bedingungen, die im Feld auftreten können. Allerdings sind trainierte KI/ML-Modelleimmer nur so gut wie die Trainingsdaten, mit denen sie gefüttert wurden. Hier wird das Lebenszyklusmanagement für die KI/ML-Modellewichtig (z. B. Modelltraining, -auswahl, austausch, -aktivierung und -überwachung), da mit einer häufigen Zusammenarbeit zwischen Teilnehmergeräten und Basisstationen/Netzwerken zu rechnen ist. Durch geeignete Tests und Messungen muss die fehlerfreie Interoperabilitätzwischen den von verschiedenen Herstellern gelieferten Komponenten verifiziert werden.

6G und KI oder ML: Unsere Lösungen und Vorteile

Wie können Messtechniklösungen tiefere Einblicke liefern und zur Verbesserung Ihres ML-basierten DPD-Modells beitragen?

Messtechniklösungen können zur Erstellung von Referenzmodellen auf Grundlage eines klassischen Ansatzes mittels iterativer Verfahren eingesetzt werden. Beispielsweise kann der R&S®SMW200AVektorsignalgenerator bei der Charakterisierung der zugrundeliegenden Hardware helfen, und der R&S®FSW Signal- und Spektrumanalysatorermöglicht die iterative Korrektur von Amplitude und Phase jedes Abtastwerts einer bestimmten Wellenform, auch bekannt als direkte DPD. Solche Verfahren liefern eine gute Baseline.

Rohde & Schwarz hat auch bereits einen Aufbau mit einem KI-/ML-basierten neuronalen Empfänger und maßgeschneiderten Konstellationen auf dem Brooklyn 6G Summit 2023präsentiert. In diesem Aufbau übernimmt ein R&S®SMW200A Vektorsignalgenerator die Emulation eines einzelnen Teilnehmers, der ein 2x4-MIMO-Übertragungsschema anwendet. Der Signalgenerator wird auch verwendet, um die Übertragung mit Fading und Rauschen anzureichern, damit ein realistisches Szenario entsteht. Das Signal wird dann mit dem R&S MSR4 Universal-Satellitenempfänger unter Verwendung seiner vier Empfangskanäle erfasst, digitalisiert und an einen Server gestreamt. Dieser Server hostet das serverbasierte Test-Framework von R&S, das die R&S®VSE Vector Signal ExplorerMicro-Services umfasst. Hier wird die Synchronisation mit dem Signal zusammen mit der schnellen Fourier-Transformation (FFT) und Entfernung der zyklischen Präfix durchgeführt, bevor diese vorverarbeiteten Daten durch einen von Nvidia entwickelten neuronalen Empfänger unter Verwendung des SIONNATM Frameworks des Unternehmens weiterverarbeitet werden.

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6G-Testlösungen für KI- und ML-Anwendungen

Neuigkeiten zu KI und ML für 6G

Ausgewählte Inhalte zu KI und ML

Towards 6G: AI-native interface – neural receiver

Video: Towards 6G: AI-native interface – neural receiver

Watch this video to learn about achievable performance gains when using trained AI/ML models compared to traditional signal processing.

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Artificial Intelligence (AI)

Video: Künstliche Intelligenz (KI) und maschinelles Lernen (ML)

Mit maschinellem Lernen (ML) konnten beachtliche Erfolge im Bereich der Bild- und Videoerkennung sowie der Verarbeitung natürlicher Sprache erzielt werden. Sehen Sie sich dieses Video an und erfahren Sie, wie Forscher das Potenzial des maschinellen Lernens für die Signalverarbeitung in 6G nutzen wollen.

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Webinar: Will AI/ML revolutionize 6G?

Sehen Sie sich dieses Webinar an, um einen Überblick über die laufende Grundlagenforschung für eine KI-native Luftschnittstelle im künftigen 6G-Mobilfunkstandard zu erhalten.

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Towards 6G: AI/ML-based neural receiver

Video: Auf dem Weg zu 6G – KI/ML-basierter neuronaler Empfänger

Dieses Video zeigt eine gemeinsame Demonstration eines neuronalen Empfängerkonzepts, bei dem ein trainiertes ML-Modell für Signalverarbeitungsaufgaben wie Kanalschätzung, Kanalentzerrung und Demapping verwendet wird.

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The role of AI/ML in future wireless communication

Webinar: The role of AI/ML in future wireless communication

In diesem Webinar erläutern wir die Rolle von KI/ML in den heutigen 5G-Mobilfunknetzen, den aktuellen Stand der Grundlagenforschung für eine KI-native Luftschnittstelle in 6G und anderes.

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Think Six - Is it time for wireless communication to get smart(er) with AI/ML? Part 1.

Video: Ist die Zeit für intelligente(re)n Mobilfunk mit KI/ML gekommen? Teil 1

Dieses Video erläutert die Hintergrundtheorie und Terminologie von KI und ML und geht auf die mögliche Rolle künstlicher Intelligenz bei Mobilfunktests ein.

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#Think Six - Is it time for wireless communication to get smart(er) with AI/ML? Part 2.

Video: Ist die Zeit für intelligente(re)n Mobilfunk mit KI/ML gekommen? Teil 2

In diesem Video befassen wir uns mit 3GPP Release 18 (5G-Advanced), in dessen Rahmen sich Branchenexperten mit der Frage befassen, ob maschinelles Lernen einen entscheidenden Vorteil bieten wird. Dazu werden zunächst drei konkrete Anwendungsfälle untersucht.

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#Think Six - Is it time for wireless communication to get smart(er) with AI/ML? Part 3.

Video: Ist die Zeit für intelligente(re)n Mobilfunk mit KI/ML gekommen? Teil 3

Wie könnte eine KI-basierte Luftschnittstelle realisiert werden? Dieses Video wirft einen Blick in die Zukunft und fasst eine mögliche KI-basierte Luftschnittstelle für den 6G-Standard ins Auge.

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#ThinkSix - Validating a Machine-Learning Based Neural Receiver with 5G NR Multiple MIMO Signals

Video: Validierung eines ML-basierten neuronalen Empfängers mit 5G NR Multiple MIMO-Signalen

Der Einsatz von maschinellem Lernen (ML) auf Basis künstlicher Intelligenz für Signalverarbeitungsaufgaben im Mobilfunk geht von der grauen Theorie in die Praxis über. In diesem Video sehen Sie eine Demonstration der Validierung der Performance eines selbsttrainierten neuronalen Empfängers.

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FAQs zu künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen für 6G

Was ist künstliche Intelligenz in 6G?

Im Rahmen der 6G-Technologie übernimmt KI nicht nur eine unterstützende Funktion, sondern wird für die zukünftigen Netze eine Schlüsselrolle spielen. Es handelt sich um eine Methode zur Optimierung der Netze und Designs neuer Signalformen, die für viele 6G-Forschungsbereiche relevant ist. Darüber hinaus kann KI vernetzte Intelligenz wie verteiltes Lernen unterstützen.

Was ist maschinelles Lernen in 6G?

Durch maschinelles Lernen sind die Geräte in einem 6G-Netz in der Lage, voneinander und von der Umgebung zu lernen, sodass ein vollständig intelligentes Funknetz und Management realisiert werden kann.

Welche Vorteile bietet eine KI-native Luftschnittstelle?

Die Implementierung einer KI-nativen Schnittstelle für 6G ermöglicht Performance-Verbesserungen, da die teilnehmenden Geräte dynamisch lernen und Wellenformen und Signale konfigurieren können, die das verfügbare Spektrum effizient nutzen. Dadurch kann auch eine bessere Energieeffizienz erzielt werden. Die Verwendung KI-nativer Luftschnittstellen unterstützt mit maßgeschneiderten Übertragungsschemas auch eine Automatisierung der Anpassung an die Dienstanforderungen. Darüber hinaus können Luftschnittstellen so an beliebige Zielplattformen angepasst werden.

Was unterscheidet eine KI-native Schnittstelle von herkömmlichen Implementierungen?

Herkömmliche Algorithmen (z. B. Kanalschätzung) werden manuell entwickelt und von Ingenieuren auf Grundlage anspruchsvoller mathematischer Modelle wie der Ausbreitungseigenschaften des Funkkanals optimiert. Allerdings können diese Modelle die Realität nur approximieren. Im Gegensatz dazu lernen KI/ML-Modelle aus Daten. Sie können Eigenschaften und Algorithmen erlernen, ohne dass ein Entwickler sie explizit beschreibt oder programmiert. Wenn sie mit realen Daten trainiert werden, können KI/ML-Modelle physikalische Eigenschaften genau erlernen und übertreffen häufig manuell implementierte Algorithmen, die auf vereinfachten mathematischen Modellen basieren.

Ist KI/ML nur für die 6G-Luftschnittstelle relevant? Wie sieht es mit 5G aus?

Die Implementierung der KI- oder ML-Luftschnittstellen für 6G wird nicht von heute auf morgen erfolgen. Der Übergang von 5G zu 6G wird vielmehr ein allmählicher Prozess sein. Für die Standardisierung besteht hier noch großer Lernbedarf im Hinblick auf geeignete Spezifikationen für eine reibungslose Interaktion von KI- oder ML-Modellen sowohl in Teilnehmergeräten als auch Basisstationen. 3GPP 5G NR Release-18 (das erste 5G-Advanced Release) leitet diesen Prozess ein. KI-native Luftschnittstellen werden zunächst auf Grundlage von drei Anwendungsfällen untersucht, nämlich Komprimierung von CSI-RS-Feedback, Strahlmanagement und Positionsbestimmung.

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