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6G - eine Vision über den Mobilfunk von morgen

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Am 14.03.2024 aktualisiert 🛈
Erstmalig am 25.02.2022 veröffentlicht

Obwohl sich der Ausbau der 5G-Netze noch über Jahre hinziehen wird, reichen die Visionen der Technologiestrategen schon weit darüber hinaus. Werden ihre 6G-Szenarien Realität, erwartet uns in den 2030er Jahren ein Wunderland der Kommunikation. Rohde & Schwarz ist seit dem Beginn der digitalen Mobilfunk-Ära führender Messtechnik-Lieferant. Jetzt begleitet der Technologiekonzern als enger Partner die Industrie dabei, die Vision der sechsten Mobilfunkgeneration wahr werden zu lassen.

Was denn, noch schneller?

Seit der Einführung des LTE-Standards sind die Bedürfnisse der meisten Mobilfunknutzer erfüllt. Mit Download-Raten bis zu mehreren hundert Megabit pro Sekunde lassen sich hochaufgelöste Videos flüssig streamen und Downloads in Sekundenschnelle erledigen. 5G, in vielen Ländern schon flächendeckend verfügbar, vervielfacht diese Geschwindigkeit und bringt dem Privatnutzer kaum noch nennenswerte Vorteile. Und doch gibt es längst schon Gedankenspiele für die Zeit danach. Aber lässt das technisch anspruchsvolle 5G-System, das ja permanent weiterentwickelt wird, überhaupt noch Wünsche offen, die solche Überlegungen motivieren können?

Diese Frage stellte im September 2018 ein Autoren-Duo in den Raum*). Seither hat das Thema eine bemerkenswerte Eigendynamik entwickelt. Als Diskussionsgegenstand für Fachexperten gestartet, hat sich 6G inzwischen zu einem technologie- und industriepolitischen Elefanten ausgewachsen, der weltweit mit Milliarden-Investitionen für Forschung und Entwicklung genährt wird. Denn durch die Auseinandersetzung mit den potenziellen Möglichkeiten aktueller, in Entwicklung befindlicher und am Horizont erkennbarer Technik hat sich eine Vision herauskristallisiert, die alles bisher Mögliche weit hinter sich lässt.

*) Klaus David, Hendrik Berndt: 6G vision and requirements: Is there any need for beyond 5G? IEEE Vehicular Technology Magazine, Vol. 13, Issue 3, Sept. 2018

6G

6G: Von Science-Fiction in die Wirklichkeit. Auf dem Weg zur Mobilfunkkommunikation von morgen.

Von Mensch zu Mensch

Dabei hat vor gut drei Jahrzehnten alles ganz klassisch angefangen. Nach analogen Vorläufern (1G), die bis in die Fünfzigerjahre zurückreichen, startete zu Beginn der 90er Jahre mit 2G die erste digitale Mobilfunkgeneration. Der europäische 2G-Standard GSM (Global System for Mobile Communication) entwickelte sich dabei zum Exportschlager – wie auch der GSM-Systemsimulator von Rohde & Schwarz. Ein Gerät, das bis heute als Wegbereiter des Mobilfunks gilt.

Die erste digitale Mobilfunkgeneration war als reines Sprachtelefonsystem konzipiert. Selbst einfache Datendienste wie SMS mussten nachgereicht werden. Das rasch wachsende Internet ließ dann schnell den Wunsch aufkommen, auch mobil darauf zugreifen zu können. Datenanwendungen standen deshalb von vornherein im Pflichtenheft der Nachfolgegeneration 3G, die 2001 an den Start ging. Allerdings zeigte sich schnell, dass das 3G-System für den rapide wachsenden Datenverkehr zu eng gestrickt war. Der nächste Standard (4G) signalisierte schon mit seinem Namen, dass man den gleichen Fehler nicht wiederholen wollte: Long Term Evolution (LTE) sollte den Bedarf für längere Zeit durch stetige Updates sicherstellen. Erste Netze nach diesem Standard gingen ab 2010 on air und bilden bis heute das Rückgrat des Mobilfunkökosystems.

Alle Standards bis 4G waren auf die menschzentrierte Kommunikation zugeschnitten. Die schnelle Informationsbeschaffung (Downlink) stand im Vordergrund, mit HD-Videostreaming als Killerapplikation. 4G war dafür völlig ausreichend. Die Impulse für eine Weiterentwicklung kommen seither denn auch aus einer anderen Richtung.

Maschinengeplauder

Inzwischen hatten nämlich mehrere Industrien Szenarien entwickelt, die eine sehr leistungsfähige Mobilfunkinfrastruktur voraussetzten mit Eigenschaften, die LTE nicht bieten konnte. So verlangt die vernetzte Farbrik 4.0 (bzw. Industrie 4.0) hochzuverlässige Funkverbindungen mit Ende-zu-Ende-Signallaufzeiten im unteren Millisekundenbereich. Maschinen, die synchron an einer gemeinsamen Aufgabe arbeiten und ihre volle Geschwindigkeit dabei entfalten sollen, brauchen eine Dateninfrastruktur, die dieses Tempo mitgehen kann. Was jede Kabelverbindung per se gewährleistet, ist über Funk eine Herausforderung. Funk ist aber unabdingbar, um die Flexibilität zu gewährleisten, die eine Fabrik 4.0 kennzeichnet.

Die vernetzte Fabrik 4.0 braucht eine Dateninfrastruktur, die das Tempo der Maschinen mitgehen kann. Rohde & Schwarz hat in seinem eigenen Produktionswerk ein 5G-Campusnetz aufgesetzt. So kann der Technologieführer Implementierungen für Kunden in realen Industrie-4.0-Szenarien optimieren.

Ein neues Mobilfunk-Anwendungsgebiet ist der Verkehr. Fahrzeuge teilen sich Straßen, Ampeln und andere Infrastruktureinrichtungen mit zahllosen Verkehrsteilnehmern. Viele Situationen sind sicherheitskritisch, Geschwindigkeit und Zuverlässigkeit der Signalübermittlung also oberstes Gebot. Messtechniklösungen von Rohde & Schwarz bringen das vernetzte Auto sicher und effizient auf die Straße.

Auf dem Weg zur Smart City stellen Smart Home-Mobilfunkanwendungen wieder andere Anforderungen. Für vernetzte Verbrauchszähler oder Alltagsgegenstände sind neben Funktion und Leistung vor allem Batterielaufzeiten ein entscheidender Faktor. Das erfordert eine Technologie, die nur sporadisch kommuniziert und mit wenigen Daten auskommt. IoT-Testlösungen von Rohde & Schwarz machen die drahtlose Vernetzung von Häusern und Gebäuden sicherer und zuverlässiger.

Ein ganz neues Mobilfunk-Anwendungsgebiet ist der Verkehr. Das autonome Fahren wird selbst auf der noch weit entfernten Stufe 5 gar nicht so autonom sein, wie der Begriff suggeriert. Denn schließlich teilen sich die Fahrzeuge Straßen, Ampeln und andere Infrastruktureinrichtungen mit zahllosen Verkehrsteilnehmern, und dieses Miteinander will orchestriert sein. Die Fahrzeuge müssen dazu untereinander, mit Einrichtungen entlang der Strecke wie auch mit einer Verkehrszentrale vernetzt sein. Da viele Situationen sicherheitskritischen Charakter haben, etwa eine Notbremsung, sind Geschwindigkeit und Zuverlässigkeit der Signalübermittlung oberstes Gebot.

Geradezu konträre Anforderungen stellt eine Mobilfunkanwendung, die sich mit den Buzzwörtern Smart City und Smart Home verbinden lässt. Gerätschaften wie Verbrauchszähler oder Alltagsgegenstände wie Mülltonnen werden mit Sensoren oder Stellgliedern ausgestattet, die aus der Ferne abgefragt bzw. betätigt werden können, um manuelle Eingriffe überflüssig zu machen oder abhängig von den erfassten Daten Aktionen zu veranlassen. Die dazu nötige Funkkommunikation erfolgt nur sporadisch, kommt mit wenigen Daten aus und umfasst vielleicht tausende von gleichartigen, oft batteriebetriebenen Teilnehmergeräten. Ein auf Hochleistung getrimmtes Funksystem wie LTE ist für solche Low-Performance-Anwendungen einerseits überdimensioniert und wird andererseits deren besonderen Anforderungen wie einem minimierten Stromverbrauch nicht gerecht.

Anwendungen wie diese haben die Konzeption von 5G bestimmt. Nicht der Mensch steht weiterhin im Mittelpunkt, sondern Geräte und Maschinen, sprich das Internet der Dinge (IoT).

Bei 5G steht nicht mehr der Mensch im Mittelpunkt, sondern die Vernetzung von Geräten und Maschinen. Drei Anwendungsgruppen decken ein weites Feld an Einsatzmöglichkeiten ab: eMBB (enhanced Mobile Broad Band) steht für die klassischen Mobilfunkanwendungen, ist nur noch viel leistungsfähiger als LTE; mMTC (massive Machine Type Communication) unterstützt stromsparende Low-Performance-Anwendungen, etwa Sensornetze; bei URLLC (Ultra Reliable Low Latency Communication) liegt der Fokus auf Echtzeitanwendungen, die Leistungsgarantien bezüglich Verfügbarkeit und Signallaufzeit verlangen, wie der autonome Verkehr oder die Maschine-zu-Maschine-Kommunikation.

Fehlt denn was?

5G ist in vielen Ländern schon gut ausgebaut. Allerdings lag der Schwerpunkt – auch der Standardisierung durch die zuständige Organisation 3GPP – zunächst auf der Anwendungsgruppe enhanced Mobile Broadband (eMBB). Der große Boom der Fabrik-, Verkehrs- und IoT-Vernetzung steht noch aus. Dennoch zeichnen sich jetzt bereits Anwendungen ab, für die 5G selbst bei konsequenter Nutzung aller technischen Optionen nicht genügen wird. Zwar sind auch bei 5G Entwicklungsstufen vorgesehen – ab Release 18 der Standard-Spezifikation, deren finale Version für 2024 geplant ist, wird man von 5G-Advanced sprechen – aber die Branche ist sich auch ohne formale Absprachen weitgehend einig darüber, bestimmte Leistungsmerkmale einer neuen Netzgeneration, 6G, zuzurechnen, deren Einführung man mehr aus Gewohnheit denn aus zwingendem Grund etwa für das Jahr 2030 anpeilt.

Denn seit 2G hat sich ein 10-Jahres-Takt der Generationen etabliert, der nach Fortsetzung verlangt. Die bisherigen Generationen grenzten sich auch technisch voneinander ab, zum Beispiel über unterschiedliche Kanalzugriffsverfahren, also die Methode, den Funkkanal zu nutzen. Dies sowie die Art der Datencodierung und die nutzbare Übertragungsbandbreite bestimmen maßgeblich die Systemperformance. Eine Fortsetzung, die Rohde & Schwarz als Messtechnikhersteller von Anfang an begleitet und gestaltet.

Seit 5G befeuern die Fantasien diverser Industrien die technische Entwicklung. Aus verschiedenen Richtungen poppen Zukunftsbilder auf, die sich zu einem faszinierenden Gesamtpanorama verdichten. Für seine Realisierung werden Technologien gebraucht, die größtenteils noch gar nicht verfügbar sind, die man aber in mittelfristiger Reichweite sieht. Ihr Zusammenwirken wird man als sechste Mobilfunkgeneration bezeichnen, obwohl dieser nüchterne Terminus die Zielvision nur unzureichend beschreibt.

Zwillinge auf dem Holodeck

Facebook-Gründer Marc Zuckerberg hat im letzten Herbst seine Vision von der Zukunft des Unternehmens vorgestellt. Der Masterplan sieht vor, die aktuelle Social-Media-Plattform langfristig in ein „Metaverse“ zu verwandeln. Von der Virtual Reality (VR) über Augmented Reality (AR) hin zur Extended Reality (XR): Darunter hat man sich einen Erlebnisraum vorzustellen, in dem sich reale und virtuelle Welt zu einer Kunstwelt vermischen. Als digitale, holografisch in den Raum gestellte Persönlichkeit (Avatar) soll man bruchlos zwischen Chaträumen, Spielwelten und Shopping-Malls hin und her wechseln können und dieses synthetische Ambiente nie verlassen müssen. Wie das genau vor sich gehen soll, ist noch nicht ganz klar, aber VR-Brillen werden wohl eine zentrale Rolle spielen.

So neu ist das allerdings nicht. VR-Brillen sind seit Jahren auf dem Markt und vor allem für Industrieanwendungen bereits im Einsatz. Techniker bekommen über die Brille beispielsweise das 3D-Modell eines zu montierenden Teils ins Realbild eingeblendet, zusammen mit Hinweisen, wie damit umzugehen ist. Der Lens-Träger kann mit der holografischen Projektion sogar manuell interagieren, als wäre sie real, kann sie anfassen und manipulieren. Ein solches System millionenfach verbreitet und für jeden erschwinglich, ist eines der Leitszenarien für 6G.

Augmented-Reality-Brillen bringen heute schon gegenständliche und virtuelle Realität zusammen. In der 6G-Vision steigert sich das Erlebnis bis zur völligen Immersion, dem Eintauchen in eine als echt empfundene extended Reality, die alle Sinne einbezieht.

Extended Reality, die Verschmelzung von gegenständlicher und virtueller Realität, schließt, wenn konsequent zu Ende gedacht, eine Reihe anderer gehaltvoller Visionen ein. Das Fernziel ist die totale Immersion, das völlige Eintauchen in die neue Welt, die als echt erlebt wird. Dazu gehört eine dreidimensionale optische Auflösung, die das menschliche Sehvermögen ausreizt, eine entsprechende akustische Umwelt, die verzögerungsfreie Reaktion aller synthetischen Objekte (taktiles Internet) und nicht zuletzt deren glaubwürdige Darstellung.

Entscheidend ist aber, dass einige dieser Objekte mit realen Pendants aus der Wirklichkeit korrespondieren. Es sind dies sogenannte digitale Zwillinge, interaktive virtuelle Repräsentanten echter Gegenstände und Maschinen, die man aus der Metawelt heraus manipulieren kann. Die Bedienung lässt sich so in beliebiger Entfernung von der Maschine vornehmen, mit möglicherweise weitreichenden Konsequenzen für die Organisation von Arbeit. Eine gesellschaftliche Folgewirkung könnte beispielsweise die Wiederbelebung des ländlichen Raums sein, wenn die Notwendigkeit zur Präsenz in den Ballungsgebieten abnimmt.

6G schafft ganz neue Möglichkeiten für die Telemedizin. Die Echtzeitfähigkeiten und hohen Datenraten des Systems werden präzise Ferneingriffe ermöglichen, sogar über holografische Repräsentanzen (digitale Zwillinge) der zu behandelnden Organe.

Was das alles mit 6G zu tun hat? Die zum Betrieb der immersiven Kunstwelt nötige Rechenleistung, die für jeden User individuell bereitzustellen ist, wird die Möglichkeiten einer VR-Brille bei weitem übersteigen, zumal wenn diese zierlich und unauffällig wie eine normale Brille aussehen soll. Deshalb wird man externe Rechenleistung benötigen, und sei es nur die eines Smartphones in der Tasche. Sollte diese nicht genügen, lässt sich die Aufgabe an einen Rechner in der Nähe delegieren oder unterwegs an einen Cloudserver (Edge-, Fog-, Cloud-Computing).

Dabei kommt 6G ins Spiel. Die Übertragung der extremen Datenmengen zur Brille mit Videoauflösungen von mindestens 8k in Stereo erfordert Transportkapazitäten in der Größenordnung von mehreren hundert Gigabit pro Sekunde und Signallaufzeiten von einer Zehntel-Millisekunde, um ein natürliches Agieren in Echtzeit zu ermöglichen. Eine solche Performance ist in 5G nicht vorgesehen. Auch die intelligente Bereitstellung von Rechenleistung für die diversen 6G-Services wird zu den Aufgaben des Netzes gehören, das sich dazu künstlicher Intelligenz bedient. Die wird in einem 6G-Netz allgegenwärtig sein.

Technische 6G-Eckdaten

Die anspruchsvollen Anwendungen, die man mit 6G adressieren will, erfordern ein kräftiges Anziehen aller Performance-Schrauben, die ein Funknetz kennzeichnen. Folgende Eckdaten (Key Performance Indicators, KPI) werden für 6G diskutiert, im Vergleich dazu die 5G-Zahlen:

KPI 5G 6G
Spitzendatenrate 20 Gbit/s 1 TBit/s
Durchschnittlich verfügbare Datenrate 100 Mbit/s 1 Gbit/s
Signallatenz 1 ms 0,1 ms
Max. Kanalbandbreite 100 MHz 1 GHz
Zuverlässigkeit (fehlerfreie Datenblöcke) 99,999 % 99,99999 %
Max. Teilnehmerdichte 10^6/km^2 10^7/km^2
Max. Teilnehmergeschwindigkeit 500 km/h 1000 km/h
Positionsgenauigkeit 20 cm bis mehrere m in 2D 1 cm in 3D

Pionier der Vertikalen

Die Flächenversorgung ist ein Mobilfunk-Dauerthema. Bei 6G aber sollen weiße Flecken auf der Landkarte kein Aufreger mehr sein. Im Gegenteil: Hochperformanter Mobilfunk für immersive Erlebnisse wird nicht nur lückenlos für die Fläche angestrebt – auch im ländlichen Raum und abseits von Wohngebieten – sondern sogar in der dritten Dimension. Die Vision bezieht selbst die Unterwasserwelt mit ein. Überall wo sich Menschen und Maschinen aufhalten können, sollen sie per schneller Mobilkommunikation erreichbar sein. Das erfordert nicht nur neue Technologien, etwa für die optische Signalübertragung unter Wasser, wo Funkwellen absorbiert werden, sondern auch eine extensive Infrastruktur über Grund, sei es durch Satellitenflotten, durch Höhenplattformen wie Luftschiffe oder Drohnen.

6G soll auch die Unterwasserwelt ans globale Kommunikationsnetz anschließen. Da Funkwellen im Wasser absorbiert werden, kommt dafür nur Licht in Frage (Underwater Visual Light Communication, UVLC).

Das wahre Internet der Dinge

Das Internet der Dinge ist seit langem als Idee präsent und nimmt auch in der Realität, wenn auch nur langsam, Gestalt an. 5G wird sein Wachstum beschleunigen, insbesondere im industriellen Bereich und im Verkehr. Smart Home und Smart City werden ebenfalls ihre Beiträge leisten. Von einer allumfassenden Vernetzung kann aber selbst dann noch keine Rede sein. Sie ist Bestandteil der 6G-Vision. 6G soll sowohl von seinem technischen Zuschnitt wie auch von seiner Kapazität her in der Lage sein, eine beliebige Anzahl von Objekten aller denkbaren Kategorien einzubinden. Sämtliche Dinge, zu denen man Kontakt haben will oder die im Leben eine Rolle spielen, sei es im privaten, ökonomischen oder öffentlichen Rahmen, sind potenzielle Vernetzungskandidaten. Beispielsweise Brücken und Autobahnen. Wie ist deren Zustand? Wann und wo muss repariert werden? Eingebettete Funksensoren könnten Aufschluss geben. Die bisher gebräuchlichen, nur auf Schrittdistanz auslesbaren RFID-Etiketten in Handel und Logistik könnten mit Messsensoren und größerer Reichweite ausgestattet auf Lebensmitteln angebracht werden, um deren Qualität zu überwachen und zu melden.

Das letzte Beispiel beinhaltet gleich mehrere Forschungs-Baustellen. Wenn ein kleines bewegliches Objekt überwacht wird, um es eventuell aus dem Verkehr zu ziehen, muss seine genaue Position bekannt sein. Viele weitere Anwendungen setzen die Kenntnis vom Ort des Kommunikationspartners voraus, nicht zuletzt, weil 6G-Services in der Regel lokal erbracht werden. Außerdem wird 6G aus technischen Gründen mit eng gebündeltem Richtfunk arbeiten und Gegenstellen gezielt anfunken. Ein 6G-Netz wird deshalb nicht nur ein Funk-, sondern auch ein Sensornetz sein, das Funkteilnehmer mit Zentimetergenauigkeit im 3D-Raum lokalisieren kann. Welche Methoden dafür in Frage kommen, etwa Radartechnologie in den Access Points, wird noch evaluiert.

Ein weiteres Problem der massiven Ausbringung von Funksensoren ist deren Energieversorgung. Sowohl die schiere Anzahl wie auch die Miniaturisierung machen einen Tausch der Energiezelle unmöglich. Da viele Anwendungen aber langfristig, unter Umständen auf Jahre hin, angelegt sind, müssen die Sensoren energetische Selbstversorger sein. Die zugehörigen Stichwörter lauten Zero Energy Device und Energy Harvesting. Heutige RFID-Sensoren arbeiten bereits so, werden aber direkt vom Lesegerät in unmittelbarer Nähe mit elektromagnetischer Energie versorgt. 6G-Sensoren müssen diesen Komfort entbehren und ihre Energie aus geeigneten Quellen vor Ort beziehen, sei es Wärme, Licht, Bewegung oder etwas anderes. Auch auf diesem Gebiet steckt die Forschung, wie bei vielen 6G-Themen, noch in den Anfängen. Dennoch: Messtechnik von Rohde & Schwarz hilft bereits jetzt, das Stromverbrauchsverhalten eines Geräts zu verstehen und so stromsparende Designs zu optimieren.

Diese Design-Studie des Netzwerkausrüsters Ericsson zeigt, dass Zero Energy Devices nicht nur in der Zivilisation von Nutzen sein können. Ein 6G-IoT-Funksensor könnte zum Beispiel Ökosystemdaten ermitteln und an eine Zentrale melden.

6G wird dem Internet der Dinge nicht nur eine unerschöpfliche Grundlage bieten, sondern selbst eine Art Internet sein. So wie man das etablierte Internet gern das Netz der (Computer-)Netze nennt, wird man 6G als Netz der Funknetze bezeichnen können. Die monolithische Struktur heutiger Mobilfunknetze wird einer heterogenen, sich ständig umgestaltenden Netzlandschaft weichen (organisches Netz), die kommerzielle, private und öffentliche Teilnetze jedweder Größe miteinander verbindet, von der Quadratkilometer versorgenden Makrozelle heutiger Prägung bis hinab zu „Atto-“ und „Zepto-Zellen“ für die Versorgung eines Zimmers oder Autos.

Damit das Andocken eines Netzes an die Gesamtstruktur automatisiert werden kann, will man so viele Netzfunktionen wie möglich virtualisieren, das heißt, rein logisch beschreiben – ein Verfahren, das bei 5G erst partiell erprobt wird. Die Funktionsblöcke im Netz müssen diese Sprache herstellerübergreifend verstehen und standardkonform interpretieren. Rohde & Schwarz engagiert sich in der O-RAN Alliance, die Standardisierung und Interoperabilität in diesem Bereich vorantreibt. Der weltweiten Standardisierung der 6G-Technik kommt daher, wie schon bei den bisherigen Generationen, eine große Bedeutung zu.

Erst die Datenraten und Latenzen von 6G werden alle Anforderungen an das autonome Fahren erfüllen. Autos können aus der Sicht von 6G selbst kleine, an das Gesamtnetz angedockte Funknetze sein, die die Drahtlosdienste von Fahrzeug und Insassen verwalten.

Alles ultra

Beim Malen des 6G-Szenarios legen die Technikvisionäre ihrer Phantasie keine Zügel an. Alles scheint möglich. Kam 5G noch mit den drei Anwendungsgruppen eMBB, mMTC und URLLC aus, kennt die 6G-Vision deren viele, die auch noch kombinierbar sein sollen. Bei ihrer Benennung gehen der Fachwelt die sprachlichen Superlative aus. Einfachheitshalber setzt man alle Leistungsmerkmale auf ultra. Es gibt noch keine konsolidierte, geschweige denn standardisierte Nomenklatur, aber man trifft in den Fachbeiträgen auf Begriffe wie feUMBB (further enhanced ultra mobile broad band), ultra-high sensing low latency communication (uHSLLC), uHDD (ultra-high density data services), uHEE (ultra-high energy efficiency), uHRS (ultra-high reliability & sensing), uHRUx (ultra-high reliability & user experience), uLLRS (ultra-high latency reliability & security), und ähnliche mehr.

Aber ist die Science-Fiction-Welt, die hier vorgezeichnet wird, wirklich in so baldiger Reichweite, wie ihre Architekten suggerieren? Viel hängt davon ab, ob die Forschungsanstrengungen innerhalb des anvisierten Zeitrahmens zum Erfolg führen und in Serienprodukte münden. Angesichts der weltweiten Aufmerksamkeit für diese Schlüsseltechnologie der nächsten Jahrzehnte, der großen Fördersummen, der Marktgröße und der politischen Dimension wird es am nötigen Einsatz wohl nicht fehlen.

6G-Forschungsschwerpunkte
Frequenzen

5G nutzt erstmals den Millimeterwellenbereich (>20 GHz) für die Individualkommunikation. 6G wird noch weit darüber hinausgehen und in den noch unzureichend verstandenen Terahertz-Bereich vorstoßen (300 GHz bis 3 THz), bedarfsweise auch sichtbares Licht und Infrarot einbeziehen.

Nur bei diesen hohen Frequenzen lassen sich die angestrebten extremen Übertragungsraten realisieren. Gemeinsam mit den Fraunhofer-Instituten HHI und IAF forscht Rohde & Schwarz bereits seit 2019 im Frequenzbereich zwischen 100 und 320 GHz.

Antennen

Durch die hohen Frequenzen, gleichbedeutend mit kurzen Wellenlängen, schrumpfen die Antennen auf Millimetergröße. Man wird in den Basisstationen bis zu je 60.000 davon zu Gruppenantennen kombinieren, die hunderte von Endgeräten über individuelle Richtstrahlen gleichzeitig bedienen können. Zur punktgenauen Anstrahlung des Teilnehmers wird außerdem über intelligente reflektierende Oberflächen, etwa an Hauswänden, nachgedacht, mit denen man gezielt um die Ecke funken kann.

Gemeinsam mit Leibniz Institute for High Performance Microelectronics konnte Rohde & Schwarz branchenweit erstmals eine vollständige Messung der 2D- und 3D-Richtcharakteristik von Antennen auf Transceiver-Modulen durchführen, die für den Betrieb im Frequenzbereich von 110 bis 170 GHz vorgesehen sind.

Künstliche Intelligenz

KI wird ein wesentliches Kennzeichen von 6G sein. Insider gehen davon aus, dass ein 6G-Netz ohne KI weder bezahlbar noch überhaupt funktionsfähig wäre. Seine Komplexität ist zu groß für konventionelle Design- und Management-Methoden.

KI wird sowohl in den technischen Komponenten wie auch bei der Netzwerkplanung und -überwachung zum Einsatz kommen. Ziel ist die Zero-Touch- bzw. Selbstoptimierung des Netzes in Bezug auf seine Kosten-, Energie-, spektrale und operationale Effizienz.

Virtualisierung

Alle wesentlichen Netzwerkkomponenten sollen über standardisierte abstrakte Funktionen definiert und ansprechbar sein. Das erlaubt die Mischung von Produkten verschiedener Hersteller und schafft Spielräume für die konkrete technische Ausgestaltung.

Ein wichtiger Schritt in Richtung Netzwerkvirtualisierung ist zum Beispiel das Konzept Open RAN, das zusätzliche und offene Schnittstellen für bisher proprietäre Komponenten des Funkzugangsnetzes (RAN: Radio Access Network) einführt. Rohde & Schwarz engagiert sich schon heute in der O-RAN Alliance.

Batterielose Sensoren

Myriaden von Miniatursensoren werden den stückzahlmäßig größten Anteil am Internet der Dinge stellen. Sie müssen über lange Zeit wartungsfrei arbeiten und ihre Betriebsenergie durch Energy Harvesting selbst gewinnen.

Integriertes Funk-, Sensorik- und Rechnernetz

6G wird viel mehr als ein Funknetz sein. Über integrierte Ortungsfunktionen wird man die Position eines Funkteilnehmers auf Zentimeter genau bestimmen können. Das Netz wird außerdem über eine gewaltige verteilte Rechenleistung verfügen, die je nach Bedarf in der Nähe des Funkteilnehmers oder in entfernten Rechenzentren zur Erfüllung eines 6G-Services herangezogen werden kann (Edge-, Fog-, Cloud-Computing).

Datenintegrität

Mehr noch als 5G wird 6G das Rückgrat von Wirtschaft und Industrie sein. Unzählige Geschäftsabläufe und Services werden darauf basieren. Der Datenschutz ist daher von überragender Bedeutung. Auf die korrekte Authentifizierung eines Teilnehmers muss unbedingter Verlass sein.

Verschlüsselung ist Pflicht bei jeder Verbindung. Zur Sicherstellung der Datenintegrität zieht man die Block-Chain-Technologie in Betracht, um von Zentralinstanzen unabhängig zu sein.

Energieeffizienz

Das exponentielle Wachstum der Datenkommunikation geht mit einem steigenden Energieverbrauch einher. Um ihn zu begrenzen, muss die Energieeffizienz des Netzes, also der Energieaufwand pro übertragenem Bit, sinken.

Der Wettlauf hat begonnen

Seit den ersten Überlegungen zu 6G vor erst wenigen Jahren ist in Industrie, Forschungseinrichtungen und Politik schon einiges in Bewegung geraten. Weltweit wurden Forschungsinitiativen gegründet, Fördergelder ausgelobt und Allianzen geschmiedet. Die Politik hat verstanden, dass die Konkurrenzfähigkeit und wirtschaftliche Prosperität ganzer Länder von der gleichberechtigten Teilhabe am 6G-System abhängen kann und es Abhängigkeiten zu vermeiden gilt. So kamen Japan und die USA auf höchster Ebene überein, gemeinsam 4,5 Milliarden Dollar für die 6G-Forschung aufzubringen.

Europa hat das 6G-Flaggschiff-Projekt Hexa-X ins Leben gerufen, an dem sich Organisationen aus neun Ländern beteiligen. Unabhängig davon stellt das deutsche Bundesministerium für Bildung und Forschung bis 2025 700 Millionen Euro zur Verfügung. 250 Millionen davon fließen kurzfristig vier nationalen Forschungs-Hubs zu, die ihre Programme, an denen sich auch Rohde & Schwarz beteiligt, bereits zur Förderung eingereicht haben. Südkorea verfolgt den ambitionierten Plan, schon 2026 mit ersten Feldversuchen zu beginnen und will bis dahin rund 195 Millionen Dollar investieren. Und China? Denkt nicht daran, seine bei 5G errungene starke Position mit der nächsten Generation wieder abzugeben. Sein Ministerium für Wissenschaft und Technologie koordiniert zusammen mit anderen Ministerien und staatlichen Stellen die nationalen Ressourcen, um 6G so schnell wie möglich einsatzreif zu machen.

Rohde & Schwarz, seit dem Beginn der digitalen Mobilfunk-Ära ein enger Partner und führender Messtechnik-Lieferant der Industrie, bringt bereits heute seine Produkte und Expertise in mehrere 6G-Forschungsprojekte ein und wird Zug um Zug die für 6G erforderlichen Messmittel bereitstellen.

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